Börsen-Zeitung: Auf Autopilot
Archivmeldung vom 14.11.2018
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.11.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttTheresa May will es noch einmal wissen. Sie hat die Mitglieder ihres Kabinetts einzeln vorgeladen, um sie auf ihren Brexit-Deal mit Brüssel einzuschwören. Zahlreiche Minister hatten Bedenken geäußert. Schon heute Nachmittag soll das Kabinett zusammentreten, um über den Entwurf für die Austrittsvereinbarung zu beraten. Die als Durchbruch verkaufte Übereinkunft auf Beamtenebene ist nicht ganz neu, dem irischen Sender RTE zufolge lag sie Downing Street schon am Montagabend vor.
Und der ITV-Journalist Robert Peston hatte schon vor einem Monat berichtet, Mays Brexit-Sherpa Oliver Robbins und sein Brüsseler Gegenüber Sabine Weyand seien handelseinig geworden. Tatsächlich hat die Verwaltung bereits nach der Wahlschlappe Mays im vergangenen Jahr angesichts des Machtvakuums an der Spitze der Regierung auf Autopilot umgeschaltet, um das Schlimmste zu vermeiden. Robbins dürfte sich bemüht haben, in Brüssel das Beste für Britannien herauszuholen. Nun müssen Mays Minister entscheiden, ob sie sich für das Ergebnis seiner Anstrengungen erwärmen können.
Man darf davon ausgehen, dass es Rücktritte geben wird. Wenn Schwergewichte wie Innenminister Sajid Javid oder Außenminister Jeremy Hunt unter denen sind, die Mays Deal nicht mittragen wollen, wird es schwer für sie, sich im Amt zu halten.
Die nächste Hürde wird, die Zustimmung des Parlaments zu erreichen, dem sie ein aussagekräftiges Votum versprochen hatte. Derzeit sieht es nicht so aus, als hätte sie im Unterhaus eine Mehrheit für einen Deal, der Großbritannien in eine Zollunion mit der EU zwingen könnte, ohne eine Ausstiegsoption zu bieten. Gestern musste sie bereits Zugeständnisse machen, als es um die Offenlegung von Rechtsgutachten zur Austrittsvereinbarung ging. Sonst hätte sich Labour mit einem entsprechenden Ersuchen durchgesetzt - dank Unterstützung der nordirischen Unionisten, die ansonsten Mays Regierung als Mehrheitsbeschaffer dienen. Die Brexiteers aus den eigenen Reihen hatten mit Enthaltung gedroht.
Das Thema Brexit ist also noch lange nicht vom Tisch, ob es dazu einen EU-Sondergipfel im November gibt oder nicht. Und vielleicht tickt die Uhr ja auch noch länger als bis zum 29. März. Derzeit scheint alles möglich. Allerdings müsste Großbritannien diesen Monat ernsthaft mit den Vorbereitungen auf einen EU-Austritt ohne Übereinkunft beginnen. Sonst drohen chaotische Verhältnisse.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Andreas Hippin