Eine Frage des Eigentums
Archivmeldung vom 12.07.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer vergangene Dienstag war ein ganz besonderer Tag und für die Bürger ein Anlass zum Feiern. Gewiss, der 7:1 Kantersieg der deutschen Fußballnationalmannschaft war ein schönes Ereignis und wurde sicherlich von den allermeisten sehr gefeiert. Aber nicht nur für Fußballfans war jener Tag ein besonderer, sondern für alle Bürger. Er markierte nämlich einen essentiellen „Regimewechsel“ für jeden Steuerpflichtigen. Erst seit jenem 8. Juli arbeitet der durchschnittliche Steuerzahler für die eigene Tasche, davor wirtschaftete er ausschließlich für „Vater“ Staat.
Bei genauerer Betrachtung ist dieses Datum natürlich kein Grund zur Freude, ganz im Gegenteil. Dies liegt banaler Weise daran, dass der Steuerzahlergedenktag so spät im Jahr liegt und die Tendenz hat, im Kalender immer weiter nach hinten zu wandern. Fiele jener Tag in den Januar oder auf Anfang Februar, es wäre keine große Meldung. Sicherlich wäre zwar niemand froh darüber, Steuern zahlen zu müssen, aber jeder würde doch zustimmen, dass selbst der Staat etwas Geld benötigt, um seiner originären Aufgabe – der Erhaltung der inneren und äußeren Sicherheit – nachzukommen.
Aber dem durchschnittlichen Steuerzahler mehr als fünfzig Prozent des Ertrags seiner Lebensarbeitszeit wegzunehmen, ist schon eine dramatische Enteignung. Zumal es auch Berechnungen gibt (wie beispielsweise diese des Landesverbands Sachsen-Anhalt der Partei der Vernunft), welche die tatsächliche Steuer- und Abgabenlast der Bürger noch viel höher einschätzen.
Dass der Staat, ganz gleich es ob sich dabei um eine Demokratie, eine Diktatur oder ein Königreich handelt, immer mehr Geld von seinen Bürger abpressen möchte, ist dabei wenig verwunderlich. Es ist dem Gestaltungswunsch der Politiker/Diktatoren/Monarchen geschuldet und ihrem Drang, etwas Dauerhaftes zu hinterlassen. Verwunderlich ist vielmehr, dass sich die Bürger diesen Griff in ihre Geldbeutel gefallen lassen. Dabei ist noch gar nicht so lange her, dass schon äußerst bescheidene Besteuerungsversuche zu Revolutionen führten. Das bekannteste Beispiel hierfür dürfte die Boston Tea Party sein – die Auftaktouvertüre zum Unabhängigkeitskrieg der britischen Kolonien auf dem nordamerikanischen Kontinent. Der konkrete Anlass für die feierliche Versenkung dreier Schiffsladungen Tee im Hafen von Boston war der Protest gegen den Tea Act von 1773, der die Erhebung einer Steuer in Höhe von drei(!) Prozent auf den Ausgangsstoff für das britische Nationalgetränk vorsah.
Auch im zweiten deutschen Kaiserreich, welches ja gemeinhin in der Vorstellung der bundesdeutschen Bürger ein Hort der Unfreiheit, der Ausbeutung und des Duckmäusertums war, hütete man sich, die Einkünfte der Untertanen allzu stark zu besteuern. Nach der Steuerreform von Johannes von Miquel im Jahre 1893 lag der Einkommensspitzensteuersatz bei vier(!!) Prozent und wurde erst ab 100.000 Mark Jahreseinkommen erhoben.
Wie unterschiedlich dazu doch die heutige Haltung des Staates. Fast könnte man zu dem Eindruck gelangen, der Staat hätte Anspruch auf einhundert Prozent unseres Einkommens und nur seiner Gnade und Güte verdanken wir es, dass er uns noch etwas zur eigenen Verwendung lässt. Die meisten Bürger stimmen dem auch noch, wenn vielleicht nicht explizit, dann in jedem Falle implizit zu. Irgendwie gelang es dem Staat in den letzten hundert Jahren, die Bürger von seinem Anspruch auf ihr Eigentum zu überzeugen und sie Glauben zu machen, er könne mit ihrem Geld besser umgehen als sie selbst.
Dabei widerlegt die Realität diesen Glauben jeden Tag aufs Neue. Großprojekte wie der Berliner Flughafen, die Elbphilharmonie oder der Stuttgarter Bahnhof werden miserabel geplant und noch miserabler ausgeführt, aber sie sind nur die Spitze des Eisbergs. Die vom Bund der Steuerzahler jährlich aufgelisteten Steuerverschwendungen machen das Bild runder, aber bei weitem noch nicht vollständig. Allein die tägliche Verschwendung in der öffentlichen Verwaltung und deren Ineffizienz kosten den Bürger Milliarden, ohne irgendeine Aussicht auf Besserung.
Entstehende Mehrkosten interessieren die Verantwortlichen nur insofern, als dass jene sie eventuell die Wiederwahl kosten könnten. Verantwortungsvoller Umgang mit Steuergeld ist selten – was ebenfalls in der Natur der Sache liegt: Wem die Dinge, mit denen er täglich Umgang pflegt, nicht gehören, verwendet deutlich weniger Achtsamkeit auf sie. Wer für das Geld, welches er täglich mit vollen Händen ausgibt, nicht hart arbeiten muss(te), sondern es einfach einziehen kann, tut am Ende eben genau dies: Es mit vollen Händen und ohne Verstand ausgeben. Eigentum ist ganz offensichtlich eine wesentliche Komponente für verantwortungsvolles Handeln.
Damit berühren wir eines der Kernprobleme unserer modernen Gesellschaft: Den meisten von uns ist der Sinn für Eigentum, und damit auch die Fähigkeit Verantwortung für das Eigene zu übernehmen, abhanden gekommen. Unsere Altersvorsorge soll der Staat übernehmen, ebenso unsere Gesundheitsvorsorge, unsere Ausbildung und die Ausbildung unserer Kinder sowieso. Ausbau und Erhalt der Infrastruktur sind inzwischen ebenso selbstverständliche Staatsaufgaben wie die Integration von Zuwanderern, die Erzeugung von Energie, die Förderung von Kunst und Kultur, Umweltschutz dabei nicht zu vergessen – die Liste ließe sich ewig fortführen. Dabei könnten die allermeisten dieser Aufgaben besser, schneller und günstiger von privater Seite geleistet werden.
Die Entwicklung des Bewusstseins für und die Stärkung von Eigentumsrechten ist daher unabdingbar notwendig, wenn man dem unersättlichen Steuerstaat auf Dauer erfolgreich entgegentreten will.
Quelle: Freitagsgedanken, 11. Juli 2014, von Dagmar Metzger, Steffen Schäfer und Christian Bayer