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Westdeutsche Zeitung: In Europa wird nicht nur englisch gesprochen

Archivmeldung vom 09.04.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.04.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es war Wilhelm von Humboldt, der verschiedene Sprachen mit verschiedenen "Weltansichten" gleichsetzte. Sprächen wir künftig nur noch englisch, wäre das demnach ein Schritt hin zur Uniformierung des Denkens - keine schöne Vorstellung.

Nun will natürlich niemand ein babylonisches Sprachgewirr, das die Europäische Union und ihre ohnehin schon wenig flexiblen Institutionen vollends lähmen würde. Aber ein Europa der Kulturen lebt auch von seiner Sprachenvielfalt. Wie kann es dann sein, dass Englisch und Französisch eine derart dominierende Rolle spielen und nur ein Bruchteil der Brüsseler Kommunikation nach innen und nach außen in deutscher Sprache erfolgt? Deutsch ist die am meisten verwendete Muttersprache in der EU; der deutschsprachige Raum erwirtschaftet das höchste Sozialprodukt; auch in den osteuropäischen Beitrittsländern ist die Sprache der Dichter und Denker tief verankert. Und nach wie vor gilt: Die Bundesrepublik ist der größte Nettozahler. Deutschland muss das deutlicher herausstellen, damit die Benachteiligung schnell endet. Denn sie schadet massiv. Wer sich in einer Fremdsprache bewegen muss, der wandelt auch dann auf unsicherem Boden, wenn er diese gut beherrscht. Gerade im politischen Betrieb kommt es aber oft auf Feinheiten an, auf das "Kleingedruckte". Zudem geht es um handfeste wirtschaftliche Interessen. Für Großunternehmen mögen etwa die in Englisch abgefassten EU-Ausschreibungen keine großen Hürden darstellen. Mittelständler dagegen sind leicht überfordert. Eines allerdings ist auch richtig: Wenn wir der deutschen Sprache international wieder mehr Gewicht verschaffen wollen, müssen wir sie in Deutschland selbst besser behandeln. Unser Schulsystem produziert Absolventen, deren Wortschatz mickrig ist. Von Grammatik haben manche gleich gar keine Ahnung. Hinzu kommt der (leider auch bei vielen Journalisten) ungebremste Drang, Kinder "Kids" und Aufführungen "Performances" zu nennen. Wer auch nur drei Sätze englisch sprechen kann, ist total "happy", wenn er sein "Schnöselkauderwelsch" ("taz") an den Mann bringen kann. Und dann wundern wir uns, wenn es auch im Ausland heißt: "Deutsch for sale" (Deutsch im Ausverkauf)?

Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Alexander Marinos)


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