Bitterer Nachgeschmack
Archivmeldung vom 03.01.2020
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Freigeschaltet durch André OttEs war ein Wettkampf, den sich die Kontrahenten stets am Ende des Jahres lieferten - ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das Beobachter in Atem hielt. Eigentlich. Denn diesmal stand der Sieger schon seit langem fest, da Boeing ihren Kassenschlager seit dem im März verhängten Flugverbot für die 737 Max nicht mehr ausliefern darf.
Deshalb ist es keine Überraschung mehr, dass Airbus den Erzrivalen aus den USA von den Auslieferungen her als weltweit größter Flugzeugbauer mit deutlichem Vorsprung wieder abgelöst hat, nachdem die Amerikaner 2018 noch knapp vorn lagen. Um genau beurteilen zu können, wie gut Airbus selber 2019 wirklich produziert hat und wie hoch der Anteil der 2018 von Bombardier in A220 umbenannten C-Series ist, bedarf es jedoch detaillierterer Zahlen. Diese werden erst Ende nächster Woche erwartet.
Auch bei den Bestellungen zeichnet sich ein deutlicher Vorsprung für den europäischen Flugzeugbauer ab. Einen solchen Doppelsieg hatte er zum letzten Mal 2011 eingeflogen. Doch so richtig freuen dürfte er sich darüber nicht, da sein US-Konkurrent eine der schwersten Krisen - wenn nicht gar die schwerste - seit seiner Gründung durchlebt. So wie eine wenn auch selbstverschuldete Verletzung des Gegners die Freude eines Siegers bei einem Sportwettbewerb trübt, dürfte auch für Airbus ein bitterer Nachgeschmack bleiben, da das Debakel um die 737 Max der gesamten Branche schadet.
Der Erfolg bei den Auslieferungen und Orders darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Airbus vor Herausforderungen steht. So muss der Konzern die Lieferverzögerungen, zu denen es beim A321neo mit der neuen Cabin-Flex-Kabinenausstattung kommt, in den Griff bekommen, um Kunden nicht weiter zu verärgern. Zudem muss Airbus die Erhöhung der gesamten A320-Produktion meistern; sie soll bis Mitte 2021 auf 63 Exemplare pro Monat gesteigert werden. Nicht zuletzt stehen auch noch die Ergebnisse der Korruptionsermittlungen aus.
Boeing steht jedoch vor weit existenzielleren Entscheidungen. Der Konzern muss nicht nur das Debakel um die 737 Max und die damit einhergehenden Produktionsprobleme sowie Verzögerungen bei der Entwicklung des 777X-Programms in den Griff bekommen und das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückgewinnen. Er muss auch entscheiden, ob er nun in ein komplett neues Flugzeugprogramm investiert. Dabei muss aber wieder die Sicherheit im Vordergrund stehen, nicht Kostensenkungen. Dass Kostendruck im Flugzeugbau fatal sein kann, hat die 737 Max gezeigt.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Gesche Wüpper