Leipziger Volkszeitung zur Gesundheitsreform
Archivmeldung vom 04.07.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.07.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie große Koalition hätte sich mehr Zeit lassen sollen. Jedenfalls wenn ihre Akteure jemals vorgehabt haben sollten, eine Steuerreform ohne kurzes Verfallsdatum hinzubekommen. Aber zuletzt ging es weniger um den möglichst intelligent organisierten Erhalt der Gesundheit, als um das politische Überleben der Regierungsriege.
Eine irgendwie unter
der Abdeckplatte der guten Fußballlaune zusammengeschusterte Reform
wurde plötzlich zum innerkoalitionären Kitt, trotz wachsender
Spaltungskräfte die Sommerpause zu überstehen. So betrachtet ist das
Konzept ein Erfolg. In der Sache aber ist es ein Reinfall: Dürftig,
mutlos und unausgegoren. Deshalb wird es dieser Gesundheitsreform so
ergehen wie allen vorangegangenen: Schon in wenigen Jahren muss die
nächste her, um das kranke Gesundheitssystem über ein paar Runden zu
retten.
Das Resultat ist ein Flickwerk, das sowohl den Steuer- als auch den
Beitragszahler teuer zu stehen kommt - und außerdem falsche
ordnungspolitische Akzente setzt. Der beschlossene Gesundheitsfonds
wird ein neues Tummelfeld für Bürokraten und Hürdenbauer. Wieder wird
die Eigenverantwortung von Patienten geschwächt, kein Impuls für mehr
Wettbewerb gegeben. Dass der CSU-Grande Edmund Stoiber gegen den
heftigen Widerstand der SPD Steuererhöhungen - vorerst - verhindern
konnte, ist ein Trost, aber nur auf Zeit. Denn woher am Ende die
jährlich mehr als vier Milliarden Euro für die
Kinder-Krankenversicherung kommen sollen, ist weitgehend ungeklärt.
Unwahrscheinlich ist, dass es den Berliner Ausgaben-Politikern allein
durch Einsparungen an anderen Stellen gelingt, die neuen Löcher zu
stopfen.
Weil das alles irgendwie finanziell nicht zusammenpasst, soll im
kommenden Jahr erstmal geschehen, was bisher immer geschah: Die
Krankenkassenbeiträge steigen spürbar. Dass sie danach wieder gesenkt
werden, kann man glauben - oder besser nicht: Wie oft hat die
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt mit dem klaren Blick für
Gleichmacherei unter dem falschen Etikett Gerechtigkeit schon
Beitragssenkungen versprochen und am Ende nur Politikverdrossenheit
hinterlassen. Zudem schaden Beitragserhöhungen der Wirtschaft, kosten
Arbeitsplätze. Wollte die Bundesregierung nicht die Lohnnebenkosten
senken?
Dass in Zukunft Krankenversicherungen für Kinder aus dem Steuertopf
finanziert werden sollen, ist im Prinzip richtig, weil damit Familien
gefördert werden. Aber das muss dann auch für die Kunden von
Privat-Kassen gelten, da sie ansonsten doppelt zahlen müssten.
Immerhin wollen die großen Gesundheitsexperten die effektiven
privaten Krankenkassen erhalten. Aber ihnen werden Veränderungen
aufgezwungen, die man als Enteignung von Eigentum - auch der
Privatversicherten - werten kann. Die Gerichte werden am Ende wieder
über das entscheiden müssen, was die Politiker verzapfen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung