Die Leipziger Volkszeitung zu Libanon/Bundeswehreinsatz
Archivmeldung vom 05.09.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.09.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach der zackigen Zusage der Bundesregierung, die deutsche Marine in Richtung libanesische Küste in Marsch zu setzen, dümpeln die Kriegsschiffe vorerst in den trüben Heimatgewässern einer politisch ungeklärten Situation und einer diplomatischen Hängepartie vor sich hin.
Man kann weder
Bundeskanzlerin Merkel noch ihren Ministern für Äußeres und
Verteidigung, Steinmeier und Jung, vorwerfen, dass sich die
libanesische Regierung über den deutschen Einsatz zur Grenzsicherung
auf See gründlich zerstritten hat. So was kommt vor, im heillos
verkanteten Nahen Osten sowieso. Für Länder wie Frankreich,
Großbritannien oder die USA, die es gewohnt sind, ihre Außenpolitik
militärisch zu flankieren, wäre der Vorgang nichts als übliche
Routine. Nicht so in Deutschland, wo gefährliche, friedensschaffende
oder -erhaltende Militäreinsätze noch längst nicht zur demokratischen
Normalität gehören. So wirkt das Herunterspielen der derzeitigen
außen- und innenpolitischen Hürden durch die Regierung mitunter
politisch verklemmt und taktisch linkisch. Die meistens themenlose
Opposition hingegen bläst Kleinigkeiten zu Staatsaffären auf, fordert
gar den Rücktritt des Verteidigungsministers. Der aber hat das meiste
richtig gemacht, hätte es nur offensiver vertreten müssen. Wenn es um
Krieg, Frieden und die Sicherheit deutscher Soldaten geht, ist
größtmögliche Offenheit der politisch Verantwortlichen gefordert.
Daran hat sich Franz-Josef Jung bislang gehalten. Wenn er unter
tagespolitischem Protestgeschrei einiger Oppositionspolitiker von
einem möglichen Kampfeinsatz der Marine spricht, trifft das nichts
anderes als den Sachverhalt: Zur Küstensicherung müsste die Marine
Schiffskontrollen vor dem Libanon im Zweifelsfall mit Waffengewalt
erzwingen. Ansonsten wäre der Einsatz sinnlos. Auch kann niemand
sagen, wie viele Soldaten für die Aufgabe gebraucht werden, solange
die genauen Ziele der Mission nicht definiert sind.
Ein Einsatz der deutschen Marine vor dem Libanon wäre weltpolitisch
bedeutender als alle bisherigen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Er
wäre ein wichtiger Schritt zur Friedenssicherung in einer latent
explosiven Region - und einer, der der Bedeutung der Mittelmacht
Deutschland angemessen wäre. Der innenpolitische Streit darüber
beweist jedoch, wie zögerlich die deutsche Politik bereit ist, eine
Rolle zu übernehmen, die ihr im Ausland längst zugebilligt wird.
Anders als die Opposition ist die große Koalition bereit, die
internationale Verantwortung einer aktiveren Außenpolitik
selbstbewusst zu tragen. Sie drückt sich aber vor Entscheidungen, die
damit untrennbar verbunden sind. Die Bundeswehr ist für immer neue
Auslandseinsätze nicht hinreichend ausgerüstet. Die Umstrukturierung
der Streitkräfte zu einer über weite Distanzen operierenden
Interventionsarmee hinkt den Anforderungen hinterher, aber mehr als
8000 Soldaten sind bereits im Auslandseinsatz. Kann die
Libanon-Mission noch geschultert werden? Oder müssen dafür Truppen
andernorts reduziert werden? Deutschland wird in Zukunft wieder - so
wie Frankreich oder Großbritannien - mehr Geld für sein Militär
ausgeben müssen. Zur Durchsetzung eigener Sicherheitsinteressen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung