WAZ: Missbrauchsskandal und Politik
Archivmeldung vom 18.03.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.03.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWohl wahr, sie scheuen den Konflikt mit dem Vatikan. Das trifft auf Horst Köhler wie auf Angela Merkel zu. Er ist sprachlos und sie gehemmt. Ein weiser Politiker weiß, wann er zum Telefon und nicht zum Mikrofon greift. Ein Konflikt mit dem Papst löst nicht einen einzigen Missbrauchsfall.
Für die rechtliche Aufarbeitung gibt es die Justiz, die moralische darf man der Kirche zutrauen. Und eine offene Debatte läuft längst - in der Zivilgesellschaft. Gut so. Und doch: Von einer Ideallinie sind beide weit entfernt. Köhler, weil man beim Amt moralische Autorität vermutet und jedes Wort der Orientierung begierig aufgreifen würde. Und Merkel, weil sie es nicht laufen lassen darf, wenn zwei Ministerinnen einen Runden Tisch anbieten während eine dritte auf die Kirche losgeht. Nun verkündet Merkel, sie sei "froh", dass sich die drei auf ein Forum geeinigt hätten. Seltsam unbeteiligt klingt das. Eine Stilkritik: Wenn sie sich schon äußert, dann nicht in einer Redeschlacht quasi nebenbei und in allgemeiner Form. "Man muss über Verjährung reden, man kann über Entschädigung sprechen." Was will Merkel? Wir haben da einen Verdacht: Sie ist CDU-Chefin, evangelisch und will nichts Falsches sagen. Das ist verständlich. Und falsch.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung