LVZ: zu Fan-Kongress
Archivmeldung vom 23.06.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.06.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSie prügeln sich untereinander und mit der Polizei, hinterlassen ein fürchterliches Chaos und fallen auch noch mit ausländerfeindlichen und rechtsradikalen Parolen auf. Fußball-Fans sind eine Gefahr für die Allgemeinheit, müssen daher unter dem erheblichen Einsatz öffentlicher Mittel bewacht werden.
Sie sind also alle Rabauken, verursachen jede Menge Kosten und stören auf der ganzen Linie. So weit die Vorurteile, die der brave Bürger gerne fällt, wenn er auch nur in die Nähe eines Fußball-Stadions kommt. Er fühlt sich in seiner Meinung bestärkt, sobald er wieder von schweren Ausschreitungen hört. Manche Politiker und auch einige Fußball-Funktionäre sprechen ihm aus der Seele, wenn reflexartig härteres Vorgehen gefordert wird. Das Feindbild steht, doch es ändert an der angespannten Situation nichts. Der erste bundesweite Fan-Kongress am Wochenende in der Universität Leipzig will dagegen ankämpfen, mit Missverständnissen aufräumen und auf Dialog setzen. Die Zeichen auf positive Ergebnisse sind schon deshalb verheißungsvoll, weil Vertreter aller Gruppierungen am Tisch sitzen. Miteinander reden ist immer besser als übereinander reden. Nur so können Vorurteile abgebaut werden. Der Deutsche Fußball-Bund hat die Fans lange als Risikofaktor angesehen und entsprechend behandelt. Diese wiederum betrachteten den Verband als ein elitäres und abgehobenes Gremium. Dass Präsident Theo Zwanziger selbst teilnimmt, lässt darauf schließen, wie ernst es dem DFB mit dem Thema ist. Das muss es ihm auch sein, denn die Situation hat sich in den letzten Monaten zugespitzt. Vor allem durch die schweren Krawalle am 10. Februar im Tagungsort Leipzig. Die friedliche Stimmung der vier WM-Wochen im Vorjahr war schnell vorbei. Der Alltag sieht anders aus. Besonders in unteren Spielklassen, wo unter den Fans durch Frust über die bescheidene Situation ihres Vereins gepaart mit privaten Sorgen zum Teil eine gefährliche Mischung entsteht.
Fans lassen sich in der Gemeinschaft und in der Anonymität der Masse zu Handlungen hinreißen, die sie im "normalen" Leben nie begehen würden - im Positiven wie im Negativen. Originelle Choreografien auf der einen, aggressives Verhalten auf der anderen Seite sind dafür Belege. Bekundungen gegen die Obrigkeit haben auf den Rängen eine große Tradition, Politiker und Funktionäre werden mit Vorliebe gnadenlos ausgepfiffen. Der Zeitgeist spielt dabei eine wichtige Rolle. "Nur ein Leutzscher ist ein Deutscher" hört sich heute wie eine fürchterlich ausländerfeindliche Parole an. Dabei wurde sie einst von den Fans der BSGChemie Leipzig skandiert, um die Staatsführung zu ärgern, die Abgrenzung forderte, daher von DDR-Bürgern und nicht von Deutschen sprach. Im Stadion folgte die Antwort auf diesen Unsinn. Solche Reaktionen machen Fans so wertvoll.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung