WAZ: Das Unwort des Jahres
Archivmeldung vom 16.01.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAm Anfang war das Wort, und das Wort war so unschuldig wie der Mensch. Erst durch dessen Sündenfall büßte auch das Wort seine Reinheit ein. Denn das Wort an sich ist unschuldig - so wie ein Buch, das in einem Regal verstaubt, so lange ein toter Gegenstand ist, bis jemand es lesend und ausdeutend mit Geist, mit individuellem Leben erfüllt.
Es hat in der Vergangenheit bedeutendere Anlässe gegeben, über den Sündenfall des Wortes, über den Missbrauch von Sprache zu diskutieren, als das aktuelle Unwort "Herdprämie". Das ist so abgrundtief dämlich, dass kaum ein Kabarettist oder Comedian demnächst darauf verzichten wird. Warum sollte er auch? Entscheidend ist, wer aus welchen Gründen ein Wort mit Inhalt füllt, es in Umlauf zu bringen versucht, und in welchem Kontext das geschieht. Das "Unwort" - dessen Verwendung von Fall zu Fall sehr wohl ein "Unding" und unerträglich sein kann - kurzerhand als Sprachmüll auszusondern, ist eines. Etwas anderes ist, den schuldigen Urheber auszumachen und zu benennen, über dessen Geisteshaltung solche Worte so unendlich viel aussagen.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Wolfgang Platzeck)