Nicht rausreden: Zu den Vorwürfen gegen Baerbock
Archivmeldung vom 05.07.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićEs ist auch in Deutschland nicht außergewöhnlich, dass in Wahlkampfzeiten Kandidaten vom politischen Gegner besonders genau durchleuchtet werden, um sie entweder persönlich in Misskredit zu bringen oder ihre fachliche Kompetenz infrage zu stellen. Das hatte zwar bislang noch nicht die Dimensionen und nur selten die Unappetitlichkeit, die man zum Beispiel aus US-Wahlkämpfen kennt. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass auch hierzulande die Wahlkämpfe und der Umgang mit Spitzenpolitikern rauer werden.
Eine rote Linie wäre überschritten, wenn es um persönliche Diffamierung und um das Privatleben der Kandidaten geht. Wenn ihnen allerdings Fehler nachgewiesen werden, müssen sie die Verantwortung übernehmen, anstatt sich herauszureden und von "Rufmord" zu sprechen - selbst wenn es Fehler sind, die nur durch akribische und politisch motivierte Recherche aufgedeckt wurden. Mitleid ist da nicht angebracht - wer Kanzler oder Kanzlerin werden will, muss besonders aufmerksam sein und korrekt handeln.
Plagiate in einem mit zu heißer Nadel gestrickten Buch, verspätet angegebene Einkünfte sowie Ungenauigkeiten im Lebenslauf - einzeln betrachtet mag Baerbock das wegdiskutieren können oder mit anwaltlicher Hilfe dagegen vorgehen, in der Summe hat sie aber mittlerweile ein dickes Problem. Es ist noch nicht ausgemacht, dass sie das politisch überlebt. Das hat eine gewisse Tragik, nachdem die Öffentlichkeit lange davon ausgegangen war, dass der politisch erfahrenere Robert Habeck das Rennen um die Kanzlerkandidatur der Grünen machen würde, dann aber überraschend und generös der jüngeren Frau den Vortritt ließ. Es sieht so aus, als wolle Baerbock mit aller Macht beweisen, dass sie die richtige Wahl war - und dass sie genau daran scheitert.
Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz (ots)