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Westdeutsche Zeitung: Der Finanzminister ist gescheitert

Archivmeldung vom 18.09.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.09.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Peer Steinbrück wollte nie der Typ mit den Ärmelschonern und dem Ratzefummel sein, der immer nur die Hand auf die Kasse hält. Tatsächlich verkörpert der Finanzminister nicht den mit Bleistift und Radiergummi ausgerüsteten Sparminator.

Steinbrücks zentrales Handwerkszeug ist sein Sprachapparat, mit dem er politische Absichtserklärungen formuliert. So meißelt er den Bürgern seit Jahren das zentrale Ziel der Großen Koalition in die Hirne: dass er 2011 erstmals seit 40 Jahren wieder einen Haushalt ohne neue Schulden vorlegt. Das klingt nach der Erlösung von einem unheimlichen schwarzen Loch, dessen Ausmaß zuletzt jede Vorstellungskraft überstiegen hatte. Nüchtern betrachtet heißt dies jedoch lediglich, dass der Staat ab 2011 nicht über die irrwitzige Summe von 900 Milliarden Euro hinaus noch mehr Schulden aufnehmen will. Und es heißt auch, dass Steinbrück in guten Zeiten auf Pump gewirtschaftet hat. Jetzt stockt die Konjunktur, und sein Optimismus wird bald unter dem Druck der Realität kollabieren. Auch wenn der Finanzminister derzeit noch die Gefahren eines Abschwungs kleinredet, um sein erklärtes Ziel bis zur Wahl über die Runden zu bringen: Er ist schon jetzt an seiner Aufgabe des Schuldenabbaus gescheitert; er ist daran gescheitert wie sein Vorgänger Hans Eichel. Nur hatte Eichel als Verwalter des Mangels von vornherein keine Chance, Steinbrück hatte sie. Eine schwungvolle Wirtschaft spülte ihm Milliarden-Einnahmen in die Kasse, Mehrwertsteuer und Sozialreformen erwiesen sich als sprudelnde Geldquellen. Zugleich musste der Finanzminister einer Großen Koalition nicht mit Bundesratsblockaden rechnen, die noch Eichels Sparpläne oft durchkreuzt hatten. Was bleibt, ist die Einsicht: Solange es nicht gelingt, in guten Zeiten Geld zur Seite zu legen, um davon in schlechten Zeiten zu zehren, so lange werden unsere Schuldenberge ins Unermessliche wachsen. Schon jetzt zahlen die Beschäftigten die Hälfte ihrer Lohn- und Einkommenssteuer für die Schuldzinsen von Bund und Ländern - künftigen Generationen droht der Bankrott. Nein, Steinbrück war nicht der Typ mit dem Ratzefummel, als die Fachminister mit ihren Begehrlichkeiten vor ihm standen. Er wäre es besser gewesen.

Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Christoph Lumme)

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