WAZ: Arbeitsmarkt: Die Mär vom Mindestlohn
Archivmeldung vom 11.04.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEin Mindestlohn für alle: Kann es eine ehrenwertere und einleuchtendere politische Forderung geben als die nach wenigstens 7,50 Euro pro Stunde für ehrliche Arbeit? Wer wollte da Nein sagen?
Weil es beim Volk gut ankommt, haben sich die Strategen der SPD
das Thema auf Wiedervorlage gelegt. Den Sozialdemokraten sind die
Identifikationsthemen ausgegangen, erst recht, nachdem sich die CDU
räuberisch über die Familienpolitik hermacht und Krippen-Plätze en
masse fordert. Wozu braucht es da noch die SPD? Für den Mindestlohn
eben. So einfach das politische Kalkül sein mag, so kompliziert und
schwerwiegend sind die ökonomischen Folgen. Sollte es in der Tat zu
einem flächendeckenden Mindestlohn von sieben oder 7,50 Euro in der
Stunde kommen, wie ihn Parteichef Kurt Beck fordert, wird's duster
auf dem Arbeitsmarkt. Letztlich würde ein solcher Markteingriff die
hart treffen, die er vorgibt zu schützen.
Es ist ausgeschlossen, dass der Staat mit der Festsetzung des
Mindestlohns genau den richtigen Marktpreis für Arbeit trifft. Der
wird bislang aus gutem Grund zwischen den Tarifparteien ausgehandelt.
Was macht nun ein Arbeitgeber, der einen Mindestlohn zahlen muss, der
höher ist als die Wertschöpfung pro Stunde des Mitarbeiters
rechtfertigt? Er kauft Maschinen und entlässt Mitarbeiter. Genau so
ist es in Ostdeutschland geschehen, als der fatale Fehler gemacht
worden ist, die Löhne Ost zu schnell an die Löhne West anzugleichen.
Die Angleichung der Lebensverhältnisse war ein ebenso hehres wie
verdrehtes Ziel. In manchen Gegenden Ostdeutschlands wie
Westdeutschlands sind die Mieten deutlich günstiger als anderswo, das
Schnitzel mit Fritten und Salat für fünf Euro statt zehn zu haben.
Und dennoch soll hier wie dort dasselbe auf dem Lohnzettel stehen?
Des Problems der schlecht bezahlten Jobs, der arbeitenden Armen kann man sich nicht entledigen, indem man es auf die Lohnhöhe reduziert. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe über ein anständiges Bildungssystem, über Chancengleichheit die Menschen in die Lage zu versetzen, höhere Löhne zu erwirtschaften. Wenn dies nicht gelingt, ist es die Aufgabe der Gesellschaft, diesen Menschen das Existenzminimum zu garantieren. Das geschieht im Übrigen bereits jetzt durch das ergänzende Arbeitslosengeld. Der Staat stockt auf, wenn's nicht reicht - das ist der richtige Weg. Und auch ein würdiger. Von seiner Hände Arbeit zu leben ist immer würdiger als vom Staat abhängig zu sein. Deshalb ist ein Lohn von fünf Euro niedrig. Aber unwürdig?
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung