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Allg. Zeitung Mainz: Kein Clown (Kommentar zu Sarkozy)

Archivmeldung vom 22.07.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.07.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Ein bisschen Diva, ein Hauch von Sonnenkönig, gewürzt mit einer Prise Jetset - Frankreichs Präsident ist eine explosive Mischung. Aber niemand sollte Sarkozy unterschätzen, er ist kein Polit-Clown. Dass das französische Parlament die größte Verfassungsreform des Landes seit 40 Jahren gebilligt hat, kann sich der Präsident als Erfolg zugute halten.

Er kämpft stets mit harten Bandagen, auch international. Als amtierender EU-Ratspräsident beschied er die Iren, sie müssten notfalls noch mal an die Wahlurne, um dem Vertrag von Lissabon zuzustimmen. Er bekundete dies in einer französischen Zeitung, wohlgemerkt. Nicht zu vergessen: die Drohgebärde kam vom Präsidenten des Landes, das - Schulter an Schulter mit den Niederlanden - 2005 mit einem knallharten "Non" dem ursprünglichen EU-Verfassungsvertrag den Todesstoß versetzte. Starker Tobak also, und dass die Iren überaus erbost reagierten, ist verständlich. Nun muss Sarkozy gut' Wetter machen. Ihm kann nicht daran gelegen sein, dauerhaft Zündstoff zu liefern, denn das würden die ohnehin EU-müden Bürger als erneuten Beleg dafür ansehen, dass die Union nicht nur undurchschaubar, sondern auch zerrüttet sei. Als Gang nach Canossa möchte der Franzose seine Dublin-Reise freilich nicht verstanden wissen. Wenn er erklärt, er wolle den Iren "zuhören und sie verstehen", dann klingt das schon ein bisschen gönnerhaft. Letztlich haben die Iren das Recht, aber auch die Pflicht, selbst zu entscheiden, ob sie ihr "Nein" revidieren. Einfacher wird es auf keinen Fall in der EU. Die Grundsatzdebatte bleibt: Sollen wichtige Neuerungen direkt vom Bürger entschieden oder diesem "vorsichtshalber" vorenthalten werden? Letzteres verhindert zwar schallende Ohrfeigen, lässt sich auf lange Sicht aber nicht mit dem Gebot der Transparenz in Einklang bringen. In Frankreich sieht die Verfassungsreform jetzt vor, dass bei jedem EU-Beitritt eine Volksabstimmung stattfindet. Ein Indiz, dass an unmittelbarer Bürger-Beteiligung kein Weg vorbei führt.

Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz

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