Lausitzer Rundschau: Zum tragischen Unfall in der ZDF-Show "Wetten, dass..?"
Archivmeldung vom 06.12.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNiemals, habe ich noch zu meinem Sohn neben mir auf dem Sofa gesagt, während die Cockpit-Kamera die Perspektive des Fahrers zeigte, niemals brächte ich es fertig, mit einem Auto direkt auf mein Kind zuzusteuern, noch auf irgendeinen anderen Menschen. Vielleicht war es eine Ahnung, vielleicht scheint es mir nur so. Hinterher ist man ja immer klüger.
Ein TV-Sender aber, der ein Millionenpublikum zu Deutschlands beliebtester Familien-Unterhaltungsshow einlädt, hat die Pflicht, vorher klüger zu sein. Jetzt nutzt es wenig, wenn das ZDF betont, der junge Mann, der beim Sprungversuch auf Federstelzen über eine fahrende Limousine schwer verunglückte, habe in den Proben sicher gewirkt und er habe Schutzhelm und -kleidung getragen. Wo die Grenze gezogen wird, über die hinaus ein Risiko nicht mehr vertretbar ist, hat am Ende der Sender zu entscheiden und zu verantworten, aber nicht ein ehrgeiziger Wettkandidat in jugendlichem Überschwang. Nicht zum ersten Mal haben das ZDF und sein Starmoderator Thomas Gottschalk diese Grenze mit dem Blick auf die Zuschauerzahlen unverantwortlich weit ausgedehnt, um einem an "Jackass"-Irrwitz und gefährliche Extremsportarten gewöhnten Publikum zu gefallen. Ein Probe-Sprung mit dem BMX-Rad über ein Haus endete mit einem Beinbruch. In einer anderen "Wetten, dass..?"-Sendung fuhren Autos über den Brustkorb eines Kandidaten, während dessen Mutter im Saal tausend Ängste ausstand. Wer Gottschalk diesmal im Verlauf der Wette beobachtet hat - die Hände vor dem Gesicht wie zum Gebet gefaltet -, für den wird klar: Er kannte das viel zu hohe Risiko. Der blondlockige Fernsehliebling hat nicht erst am vergangenen Samstagabend seine Unschuld im Quotenkampf verloren. Früher ließ sich das freilich mit einem flotten Spruch übergehen - alles war ja noch mal gut gegangen. Jetzt aber muss sich das ZDF der Frage stellen, ob es mit demselben Sendeformat und Moderatorenpaar überhaupt weitermachen kann. Wer wird die Show noch ansehen können, ohne sich an das Opfer zu erinnern, das sie gefordert hat, und an seine Eltern? Von einer Sekunde auf die andere ist hier das Glück einer Familie im Scheinwerferlicht zerstört worden. Nicht ein mögliches Aus für die Samstagabend-Show, sondern dies ist die wahre Tragödie von "Wetten, dass..?"
Quelle: Lausitzer Rundschau