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Viel mehr ist nicht drin

Archivmeldung vom 23.07.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.07.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

932 Tage sind vergangen, seitdem die Finanzbranche das EU-Regelwerk Mifid II im Alltag anwenden muss. Die anfängliche Aufregung hat sich gelegt, Themen wie die nachhaltige Kapitalanlage, die Altersvorsorge und jüngst die Coronakrise stehen stattdessen auf der Agenda. Der sogenannte Quick Fix, mit dem die EU-Kommission einige Auswüchse des Regelwerks beseitigen will, kommt also reichlich spät, aber immerhin.

Bliebe Brüssel bei den Plänen, dürften professionelle Anleger bei Wertpapieraufträgen auf eine Reihe an Informationen verzichten, Dokumente könnten elektronisch statt in Papierform ihren Weg zum Anleger finden, einfache Unternehmensanleihen kämen auch ohne umfassende Produktvorgaben aus.

Die deutsche Finanzbranche, die viele der Punkte bereits 2018 unter Stöhnen und Seufzen eingefordert hatte, kann das Entgegenkommen als Achtungssieg verbuchen. Aber der Erfolg hat Grenzen, denn in der Substanz ändert sich für die Branche wenig: Die Wertpapierberatung bleibt umfassend reguliert. Einige Streitpunkte sind auch nach zweieinhalb Jahren ungeklärt: Das Basisinformationsblatt, das durch die Priips-Verordnung nahezu zeitgleich zur Mifid II eingeführt wurde, muss noch überarbeitet werden, doch über die Berechnung der Performance-Szenarien wird weiter gestritten. Die Telefonaufzeichnung bei Wertpapieraufträgen, eine besonders unbeliebte Vorschrift in Deutschland, wird vom Quick Fix ebenso nicht berührt.

Der Spielraum für Erleichterungen ist begrenzt. Mifid II ist die politische Antwort auf einen Interessenkonflikt in der Wertpapierberatung: Banken und andere Finanzvermittler verdienen nicht an der Beratung selbst, sondern am Verkauf der Finanzprodukte - zugleich sollen sie verlässlicher Lotse in der Geldanlage sein. Eine radikale Lösung des Interessenkonflikts, nämlich ein Verbot von Vertriebsprovisionen, haben Europas Politiker gescheut: Es wäre tatsächlich ein weitreichender Eingriff gewesen, der nationale Gepflogenheiten übergeht. Stattdessen adressiert der Gesetzgeber das Kompetenzgefälle in der Finanzberatung mit umfassenden Vorgaben. Manches davon ist überzogen, doch die Regulierung brachte auch mehr Transparenz. Viele Anleger begrüßen laut Umfragen die vorgeschriebenen Informationen, allen Mängeln und Inkonsistenzen zum Trotz.

Die Regulierung der Wertpapierberatung lässt sich als Preis für den Erhalt des provisionsbasierten Vertriebs deuten. Einige unliebsame Punkte lassen sich lindern - viel mehr ist für die Branche aber nicht drin.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Jan Schrader

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