Allg. Zeitung Mainz: Sinnvoll kanalisieren
Archivmeldung vom 10.12.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWer keine Lebensperspektive hat, kommt irgendwann zu der Erkenntnis, dass er nichts zu verlieren hat. An diesem Punkt sind viele Griechen angekommen, besonders die jungen. Die Art und Weise, wie sie sich gegen ihre Lage wehren, ist indes völlig inakzeptabel.
Ganze Innenstädte zu demolieren, verbessert ihr Dasein keineswegs, im Gegenteil. Der Staat, durch und durch korrupt bis in die Spitzen der Politik, hat damit nämlich jede Handhabe, sich mit brutaler Gewalt zu wehren, statt gezwungen zu sein, sich mit den Ursachen zu beschäftigen. Die "Wiege der Demokratie" ist zu einem Ort skrupellosester Selbstbedienung verkommen. Der Staat lebt faktisch von Milliardensubventionen der EU, und aus diesem Topf bedienen sich vor allem die zwei führenden Familien und ihre Anhänger. Der große Rest muss sehen, wo er bleibt. Das trifft vor allem die vielen tausend gut ausgebildeten jungen Leute, die nicht zu den beiden großen Clans Karamanlis und Papandreou gehören, die sich seit der Vertreibung der Militärjunta 1974 an den Hebeln der Macht abgewechselt, das Volk aber weitgehend sich selbst überlassen haben. Was also ist zu tun: Natürlich muss zunächst zuverlässig dafür gesorgt werden, dass wieder Ruhe und Ordnung zwischen Thessaloniki und Kreta einkehren, notfalls auch mit polizeilicher Härte. Dann aber braucht Griechenland endlich den friedlichen Aufstand der Anständigen, die sich die politische Macht holen sollten. Sie müssen sich in Bürgerbewegungen organisieren, aus denen dann schlagkräftige Parteien werden können. Der Zorn, der sich jetzt sinnlos in Plünderungen und Vandalismus auf der Straße entlädt, muss sinnvoll kanalisiert werden, damit Griechenland den Titel " Wiege der Demokratie" wieder mit Würde und Anstand tragen kann.
Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz