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Börsen-Zeitung: Nun mal langsam!

Archivmeldung vom 01.08.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.08.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Sapperlot! Der Kursanstieg an Europas Börsen gewinnt eine ungeahnte Dynamik. Trotz des Rückgangs des US-Verbrauchervertrauens und trotz der enttäuschenden Entwicklung der Auftragseingänge in der US-Industrie kletterten wichtige Indizes wie der Dax und der Stoxx50 in der nun abgelaufenen Woche auf Jahreshochs.

Selbst die mehr als zurückhaltenden Prognosen wichtiger Konzerne wie BASF und Siemens konnten sie dabei nicht bremsen. Unter Investoren finden vorrangig wieder nur die Neuigkeiten Gehör, die die Hoffnungen auf das Ende der Rezession unterstützen. Aktienhändler sehen den Dax in ihrer Euphorie schon bald bei 5800 oder sogar 6000 Zählern.

Nun aber mal langsam! Der steile Anstieg der vergangenen Wochen ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass Anleger vor dem Beginn der Berichtssaison extrem schwache Gewinnzahlen der Unternehmen erwartet hatten. Als die veröffentlichten Quartalsdaten zumeist nicht so schwach wie befürchtet ausfielen, kehrten diese Investoren schnell an die Börsen zurück. Die Phase, in der sich der Markt an die tatsächliche Gewinnentwicklung anpasst, dürfte nun aber bald auslaufen. Und wie sich die Gewinne in den kommenden Quartalen und im Jahr 2010 entwickeln, bleibt erst einmal abzuwarten. Bislang ist ein großer Teil der Gewinne mit Restrukturierungsmaßnahmen zu begründen, aber weniger mit einer Erholung der Nachfrage. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen die Erwartungen der Analysten an die Umsatzentwicklung enttäuschten.

Hinzu kommt, dass die Berichtssaison nun bald ausläuft und der Aktienmarkt damit einen wichtigen Treiber verliert. Dann rücken wieder andere Faktoren in den Vordergrund, zu denen die technische Verfassung der Märkte zählt. Die hat sich zwar durch den steilen Anstieg verbessert, allerdings signalisieren wichtige Indikatoren, dass sich die Indizes längst in den Bereich vorgeschoben haben, der als überkauft bezeichnet wird. Daran schließt sich nicht selten relativ schnell eine Korrektur an.

Über die anschließende Tendenz der Aktienkurse werden die harten Fakten von konjunktureller Seite entscheiden. Erfüllen sie die Hoffnungen, die vor allem durch die Trendwende bei den Stimmungsindikatoren entstanden sind, besteht eine reelle Chance auf einen weiteren Kursanstieg im Jahresverlauf. Dafür spricht schon allein die enorm hohe Liquidität der Anleger bei gleichzeitig zunehmendem Mangel an Alternativen.

Die aktuelle Statistik des Bundesverbands Investment und Asset Management (BVI) wies für das erste Halbjahr bei Geldmarktfonds bereits einen Mittelabfluss von 11,1 Mrd. Euro aus; Aktienfonds sammelten im Gegenzug netto 4,9 Mrd. Euro ein. Die Entwicklung ist das Ergebnis des starken Rückgangs der kurzfristigen Zinsen. Das Ergebnis einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters unter weltweit 49 großen Investmentgesellschaften stützt die These, dass Investoren wieder mehr Interesse an Aktien zeigen. Der durchschnittliche Anteil dieser Assetklasse in den Portfolien lag demnach zuletzt schon bei 57% und damit nur noch knapp unter dem Niveau zu Zeiten der Lehman-Brothers-Pleite im zurückliegenden Herbst.

Dennoch sind vor allem langfristig agierende Investorengruppen bei Aktien immer noch stark unterinvestiert. So beträgt das in den USA in Geldmarktfonds geparkte Vermögen immer noch mehr als 3500 Mrd. Dollar. Ein Teil dieser Gelder wird gezwungenermaßen an die Aktienmärkte fließen, wenn die Indizes weiterhin Stärke zeigen und dadurch hoher Performance- Druck etwa bei Vermögensverwaltern besteht. Darin steckt Potenzial für die Kurse.

Dass dieses positive Szenario mit vielen Fragezeichen behaftet ist, zeigt sich allein in der Reaktion der Märkte auf die Veröffentlichung der US-Wachstumsdaten am Freitag. Obwohl das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal um 1% sank und damit weniger stark als prognostiziert, rutschten die Indizes zunächst ab - eine deutliche Mahnung, dass die entstandenen Hoffnungen Enttäuschungspotenzial bergen. So ist es keineswegs ausgemacht, dass der Lagerzyklus nun - wie erwartet - die Auftragsentwicklung der Unternehmen und somit die Konjunktur belebt. Außerdem drohen Hiobsbotschaften vom Arbeitsmarkt, was den privaten Konsum hemmen wird. Kurzum: Für Euphorie gibt es keinen Grund. Anleger sollten wieder stärker auf die Risiken achten.

Quelle: Börsen-Zeitung

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