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Börsen-Zeitung: Illusion der Unterbewertung

Archivmeldung vom 22.08.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.08.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Vor ein paar Tagen sah es noch so aus, als würde den globalen Aktienmärkten der Welt eine Korrekturphase bevorstehen. Die massiven Kursverluste an den überbewerteten chinesischen Festlandbörsen sorgten für Schockwellen rund um den Globus.

Abzulesen war das an den als "Angstbarometer" angesehenen Volatilitätsindizes VDax in Deutschland und VIX in den USA, die mit über 30 bzw. fast 18 Zählern Niveaus erreichten, von denen man dachte, dass sie im Zuge des Ausklingens der Krise Vergangenheit wären. Zum Wochenende hin hat sich die Lage aber wieder merklich entspannt. Der deutsche Aktienmarkt hat zuletzt drei Tage mit Gewinnen verzeichnet, auch in den USA sieht die Lage freundlich aus.

Positive Makrodaten

Getragen wurde die Aufwärtsbewegung an den Börsen von positiven Konjunkturdaten. Deutschland, Frankreich und sogar Japan haben die Rezession offenbar hinter sich gelassen. Der Internationale Währungsfonds IWF hat in der gerade beendeten Börsenwoche in einer Studie dasselbe auch für die globale Wirtschaft festgestellt. Im Inland hellt sich neuesten Umfragen zufolge sogar das Sentiment der Marktteilnehmer auf, das im Vergleich zu der deutlich positiveren Stimmung der Anleger an anderen wichtigen Märkten auffällig hinterherhinkte.

Dass es in China zu einer Korrektur kommen würde, hätte eigentlich allen Beteiligten klar sein müssen. Das Reich der Mitte ist hinsichtlich der Bewertung der Aktien an den Festlandbörsen ein Sonderfall. Kein anderer bedeutender Markt erreichte ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von rund 30. Zum Vergleich: Gemessen an den Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Monate liegt das durchschnittliche KGV der Dax-Werte bei schlappen 12. Die Bewertung des deutschen Marktes liegt also - trotz der ungewöhnlich ausgeprägten Rally, die den Leitindex seit dem Tief vom März um rund 50% nach oben getrieben hat - deutlich unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahrzehnte von rund 15.

Insbesondere deutsche Aktien wären demnach eigentlich als unterbewertet anzusehen, was als ein klares Kaufsignal zu interpretieren wäre. Merkwürdigerweise hat die Rally aber an Dynamik eingebüßt, und die Mehrzahl der Anleger ist gemäß den Sentimentumfragen - trotz der erwähnten Stimmungsaufhellung - immer noch eher bearish eingestellt. Sind viele Investoren etwa nicht mehr in der Lage, Chancen zu erkennen, wenn sie sich ihnen bieten?

Erhellend sind in diesem Zusammenhang Ausführungen von Patrick Artus, Chefvolkswirt von Natixis. Er argumentiert, dass es aktuell gefährlich ist, aus historischen KGV-Vergleichen auf eine Unterbewertung von Märkten zu schließen. Es sei durchaus möglich, dass es infolge der Krise zu einem irreversiblen Anstieg der von den Investoren geforderten Risikoprämien gekommen sei, da die Anleger gegenüber den Ausfallrisiken sensibler geworden seien. Ein solches Phänomen lasse sich an den Credit-Spreads bereits ablesen. Höhere Risikoprämien resultierten aber in einem im historischen Vergleich niedrigeren Niveau der von den Marktteilnehmern als normal angesehenen Bewertungen. Zudem zeige sich auch in Phasen mit einem knapperen Wirtschaftswachstum - womit nach Artus' Einschätzung zu rechnen ist - ein Auseinanderlaufen der nur gemächlich reagierenden langfristigen Nominalzinsen und des Wirtschaftswachstums. Zudem werde die durch die Krise hohe öffentliche Verschuldung für ein steigendes Zinsniveau sorgen. Beides resultiere in tendenziell niedrigeren Kurs-Gewinn-Verhältnissen.

Folgt man Artus, lässt sich nach der rasanten Erholung der Aktienmärkte kaum mehr von niedrigen Bewertungen sprechen. Für die aktuellen Kursgewinne muss daher eine andere Antriebsquelle vorhanden sein. Diese gibt es in der Tat: Letztlich ist die hohe Überschussliquidität für einen Großteil der Erholung bei Aktien verantwortlich. Sie wird den Märkten wohl noch für längere Zeit erhalten bleiben, da die Notenbanken noch keine Bemühungen zur Normalisierung eingeleitet haben. Da die hochspekulativen Gelder, die die Märkte beherrschen, aber sehr volatil sind, ist auch weiter mit Verwerfungen zu rechnen, wie es sie Anfang der gerade beendeten Börsenwoche gegeben hat. Für die Aktienanlage braucht man bis auf Weiteres gute Nerven.

Quelle: Börsen-Zeitung

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