Neue OZ: Viele Schuldige
Archivmeldung vom 03.06.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs greift zu kurz, die Schuld für die Auswüchse des Kachelmann-Prozesses nur bei den Medien zu suchen. Auch die Beteiligten des Strafverfahrens haben gravierende Fehler gemacht.
Zur öffentlichen Schlammschlacht konnte es nur kommen, weil Verteidiger wie Ankläger Zeitungen und Sender nach Kräften mit klebrigen Details fütterten. Beide Seiten versuchten auf unerträgliche Weise, das Verfahren in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die Staatsanwaltschaft, die eigentlich objektiv und mit besonderer Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte ermitteln muss, verlor ihren gesetzlichen Auftrag frühzeitig aus den Augen. Dies offensichtlich in dem Bestreben, mit der fragwürdigen Öffentlichkeitsarbeit der Verteidiger Kachelmanns Schritt zu halten.
Dennoch dürfen auch die Medien nach dem Kachelmann-Debakel nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Sie haben in diesem Verfahren teilweise ein schlechtes Bild abgegeben. Kein Detail aus der Intimsphäre der Betroffenen war zu schmutzig, um damit Auflage und Quote zu machen. Notfalls sorgten fünfstellige Eurobeträge an Zuträger dafür, dass der Informationsfluss nicht abriss. Hinzu kommt, dass einige Journalisten sich dazu verstiegen, selbst über Kachelmann zu richten. Für die einen war seine Schuld früh erwiesen, für die anderen stand schnell das Gegenteil fest. Mit seriöser Berichterstattung "frei von Vorurteilen", wie sie der Pressekodex verlangt, hatte das nicht mehr viel zu tun.
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)