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Westdeutsche Zeitung: Atomkraft ist kein Heilsbringer

Archivmeldung vom 08.07.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.07.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es wäre lächerlich, handelte es sich nicht um ein bitteres Thema: Ausgerechnet Amerika als weltweit größter Treibhaus-Heizer wirft Deutschland vor, durch den Atomausstieg unverantwortlich zu handeln. Ausgerechnet das Land, das sich allen Klimaschutz-Zielen widersetzt, will Deutschland als Belzebub der Energiekrise und Klimakatastrophe brandmarken.

George W. Bush vollzieht auf dem G8-Gipfel ein Ablenkungsmanöver, das nur ein Ziel hat: das eigene Image als Schmutzfink an eine andere Nation weiterzureichen. Dabei nutzt Bush die derzeitige Hysterie angesichts explodierender Energiekosten. In ihrer Hilflosigkeit erscheint vielen Staaten die Atomkraft plötzlich als Heilsbringer, der sie aus ihrem Elend führt. Wie wechselhaft die Kernenergie doch immer wieder die Gesinnungen spaltete: Galt sie bis in die frühen 1970er Jahre als Schlüssel zum Fortschritt, wandelte sie sich durch Tschernobyl und die ungelöste Frage der Endlagerung zum Dämon. Nun feiert die Weltgemeinschaft diese Technologie wieder, als bewahre sie uns vor dem Untergang. Die einzige Konstante bleibt: Wo Atomkraft ins Spiel kommt, ist auch die ideologische Verbohrtheit nicht weit. Wer, wie nun einige in der SPD, das Ende der Kernenergie im Grundgesetz festschreiben will, handelt genauso irrational wie derjenige, der alle Probleme durch die Kettenreaktion im Reaktor lösen will. Kernkraft wird zwar auch künftig ein Baustein im Energiemix bleiben. Doch wer sollte beim weltweiten Ausbau der Atomkraft den so genannten Schurkenstaaten noch die Kernspaltung verbieten? Und wollen wir Tschernobyl wirklich vergessen? Wollen wir ausblenden, dass Atommüll auch in 100 000 Jahren noch radioaktiv strahlt? Die Antwort auf die Krise muss von alternativen Ressourcen handeln und von Atomkraft. Vor allem aber muss sie von der Verschwendungssucht der Industriestaaten handeln, davon, dass die Welt ohne eine drastische Senkung ihres Energieverbrauchs auf eine Katastrophe zusteuert. Die Regierungschefs der G8-Staaten sollten sich ihren Verstand nicht durch alte Atom-Träume vernebeln: Die Verknappung der Energie wird die Weltwirtschaft zwangsläufig umkrempeln - und damit den Lebensstil jedes einzelnen Menschen.

Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Christoph Lumme)

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