Das Regensburger Blatt meint zur Lage im Südsudan
Archivmeldung vom 10.02.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMehr als 50 Jahre kämpften die Südsudanesen für ihre Unabhängigkeit von einem Land, in dessen kolonialen Grenzen sie Bürger zweiter Klasse waren. Die gute Nachricht ist, dass die Abstimmung im Januar wie geplant und friedlich über die Bühne gegangen ist. Das war bei der Abspaltung eines Fünftels der Staatsfläche , indem sich noch dazu drei Viertel der sudanesischen Erdölvorkommen befinden, nicht unbedingt zu erwarten.
Die schlechten Nachrichten könnten indes schon bald wieder über die Agenturticker laufen. Was, wenn sich Norden und Süden nicht einigen können bei der Grenzziehung oder der Verteilung der Öldevisen? Was, wenn im Süden der Unabhängigkeit nicht schnell genug die mit ihr assoziierte, breitflächige Verbesserung der Lebensbedingungen folgt? Was also, wenn die Trennung nicht die erhoffte Stabilität für die Region, sondern neue Krisenherde bringt? Man muss auf die Vernunft der beiden Männer setzen, die ihr Bekenntnis zum Friedensvertrag von 2005 nach der Abstimmung erneuerten. Der Führer der südsudanesischen Befreiungsbewegung, Salva Kiir Mayardit, fiel dabei durch die gleiche Besonnenheit auf, mit der er bereits den Friedensvertrag von 2005 mit aushandelte und seitdem seine Einhaltung überwachte. Den beliebten Rebellenführer mit dem Cowboyhut wird man am Erfolg bei den Aufgaben messen, an denen viele seiner afrikanischen Kollegen scheiterten: Das Einbindung einer militärisch organisierten Befreiungsbewegung beim Aufbau einer Zivilgesellschaft in einem von über 20 Jahren Bürgerkrieg zerstörten Land. Zwei Millionen Menschen verloren bei den Kämpfen zwischen 1983 und 2005 ihr Leben, vier Millionen weitere flohen. Einfacher als Mayardit ist sein Gegenüber aus dem Norden einzuschätzen. Präsident Umar al-Bashir zeigte bei der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten in Khartum Ende Januar einmal mehr, dass öffentliche Streitkultur in der Islamrepublik Sudan nicht geduldet wird. Von seiner achtbaren Treue zum Friedensabkommen verspricht er sich als Belohnung wohl Milde von der internationalen Gemeinschaft. Die Ankündigung der US-Regierung, den Sudan von der berüchtigten schwarzen Liste sogenannter Schurkenstaaten streichen sowie die Wirtschaftssanktionen überprüfen zu wollen, scheint ihm recht zu geben. Es ist ein heikles Spiel, auf das die Industrieländer sich einlassen. Während im Sudan fast 99 Prozent für die Unabhängigkeit stimmten, wurde in Darfur in den vergangenen Monaten wieder heftig gekämpft. Allein im Norden der Region flohen tausende Familien. Der Präsident, gegen den aufgrund seiner Rolle im Dafur-Konflikt ein internationaler Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen besteht, dürfte sich der internationalen Unterstützung trotzdem sicher sein. Ohne ihn bestünde nämlich die Gefahr eines Scheitern des Friedensabkommens kurz vor dem Ziel. Die Abspaltung des Südens ist im Sudan alles andere als unumstritten. An Frieden im Südsudan haben neben den USA auch China, Frankreich und all jene Staaten Interesse, die Konzessionen von Afrikas viertgrößtem Erdölvorkommen besitzen oder besitzen möchten. Von allen Seiten ist ein hohes Maß an diplomatischem Feingefühl verlangt, um den fragilen Frieden im Südsudan nicht zu gefährden. Die wohl schwerste Aufgabe steht der Bevölkerung des Südsudans selbst bevor. Sie muss die einstigen Peiniger als Nachbarn anerkennen und sich im alltäglichen Umgang mit ihnen in Vergebung üben. Sollte das gelingen, wäre es ein erster kleiner Schritt zu mehr guten Nachrichten.
Quelle: Mittelbayerische Zeitung