Protest gegen Gibson`s Film "Apocalypto"
Archivmeldung vom 03.01.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAm 14. Dezember lief in den deutschen Kinos der Film "Apocalypto" an, in dem der Regisseur Mel Gibson ein fiktives Bild der vorspanischen Maya als verrohte und religiös fehlgeleitete Gesellschaft zeichnet, deren Brutalität ihren Untergang besiegelt, und deren einzige Rettung in der Ankunft der spanischen Eroberer und christlichen Missionare besteht.
Die Maya dienen Gibson hier schlicht als Analogie für die gegenwärtige westliche 
Gesellschaft und ihr unausweichliches Schicksal. So kreiert er ein Zerrbild der 
mesoamerikanischen Hochkultur, das den historischen Tatsachen kaum im Ansatz 
gerecht wird. 
Das Fehlen an Handlung kompensiert Gibson durch eine Orgie 
sinnentleerter Gewaltszenen, die, in Fast allen Fällen völlig frei erfunden und 
aus dem sozio-politischen oder religiösen Kontext gerissen sind, den wir 
wissenschaftlich rekonstruieren können. So dienten kriegerische Überfälle, genau 
wie in allen anderen Kulturen, im wesentlichen zur Aneignung fremder Ressourcen. 
Blut- und Menschenopfer waren – wie in allen antiken Gesellschaften - Teil eines 
komplexen religiösen Systems; für ein Massenschlachten, wie es im Film darstellt 
ist, fehlen jegliche fundierten Belege. Hier vermischt der Autor eine ebenso 
verzerrte koloniale spanische Propaganda zur kulturellen Abwertung der 
zentralmexikanischen Azteken mit der Darstellung der bereits dreihundert Jahre 
zuvor kollabierten klassischen Maya-Gesellschaft.
Kulturelle 
Errungenschaften dieser Hochkultur, wie die Entwicklung einer völlig 
eigenständigen Schrift und eines Kalendersystems, das auf einem mathematischen 
System basierte, welches die Zahl "0" kannte, bleiben nicht nur faktisch 
unerwähnt. Vielmehr wird den klassischen Maya gar ihr astronomisches Wissen 
aberkannt, indem die Gewalttäter im Film sich sichtlich von einer 
Sonnenfinsternis überrascht zeigen, welche ihre real-historischen Vorbilder ohne 
Zweifel exakt zu berechnen wussten.
Nicht nur, dass solche Formen der 
Disqualifizierung dem hiesigen Kinobesucher zu einem Bild der Maya als 
kulturlosem und primitivem Volk verhelfen; der Film hat ferner das Potential 
weiteren Nährboden für den ohnehin schon bestehenden Rassismus gegen die heutige 
Mayabevölkerung (ca. 8 Millionen Menschen) in den Staaten Mexiko, Guatemala, 
Belize, Honduras und El Salvador zu schaffen. Der Bürgerkrieg in Guatemala, in 
dem mindestens 200.000 Menschen, in der Mehrzahl Maya, ihr Leben lassen mussten 
und über eine Million Maya vertrieben wurde, wurde erst vor zehn Jahren durch 
einen Friedensvertrag beendet. In dem von Gewalt gezeichneten Land gelingt es 
der indigenen Bevölkerung nur langsam, wieder einen angstfreien Umgang mit der 
eigenen kulturellen Identität zu leben. Die Rückberufung auf die 
Errungenschaften der vorspanischen Mayakultur helfen dabei – ein Prozess, der 
von Wissenschaftlern und NGO's gleichsam begleitet und unterstützt wird. Die 
Berge von aufgetürmten Leichen, die im Kontext von Gibsons Werk sicherlich keine 
zufällige visuelle Reminiszenz an die Konzentrationslager von Auschwitz und 
Bergen-Belsen sind, untergraben diese neugewonnene Identität, indem sie die 
Wirklichkeit verkehren: Opfer werden im Film zu Tätern. Täter, die ihren 
Untergang, die christliche Mission und 500 Jahre Kolonialherrschaft verdienen – 
und Opfer, die ihren eigenen Völkermord rechtfertigen. 
Als 
Wissenschaftler und Studierende des Faches Altamerikanistik/Ethnologie an der 
Universität Bonn distanzieren wir uns von der Form der Darstellung der 
vorspanischen Mayakultur in Apocalypto. Dieser Film richtet Schaden 
an.
Gez.: Wissenschaftler und Studierende des Faches 
Altamerikanistik/Ethnologie an der Universität Bonn

        
        
      
      