LVZ: Realitätsverlust
Archivmeldung vom 30.05.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenn Politiker ihr neuestes Flickwerk "Fortentwicklungs-" oder gar "Optimierungsgesetz" nennen, ist Vorsicht geboten: Mit maßgeblicher Beseitigung eines Missstandes ist dann nicht wirklich zu rechnen. Bei den in der großen Koalition heftig umstrittenen Korrekturen der verkorksten Hartz-IV-Gesetze ist genau dies der Fall.
Mit der
angeblichen Optimierung, wie sie sich Vizekanzler Müntefering
vorstellt, wird sich nicht viel ändern: Die sozialdemokratischen
Sozialingenieure stemmen sich zum Verdruss ihres eigenen
Finanzministers Steinbrück gegen eine spürbare Kürzung des
Arbeitslosengeldes II. Sie haben aber keine zündende Idee, wie die
Vermittlung von Arbeitslosen in dauerhafte Jobs verbessert werden
könnte. So bleibt Hartz IV das, was es ist: Ein skandalöses Eurograb
für die steuerzahlende Bevölkerung und ein Demotivierungsprogramm für
Arbeitswillige - und Arbeitende.
Die Unions-Ministerpräsidenten Stoiber, Althaus und Milbradt legen
die Finger in die Hartz-Wunde und fordern eine Verschärfung der
Anreize zur Arbeitsaufnahme von Langzeitarbeitslosern. Im Klartext
sind das Sozialkürzungen. Reflexartig gehen linke Sozialdemokraten,
Grüne und Linkspartei-Politiker deshalb auf die Barrikaden. Aber was
ist die Alternative? Dass durch Nicht-Arbeit in Deutschland mehr Geld
als durch Arbeit verdient werden kann, ist der eigentliche
gesellschaftspolitische Skandal. Folgerichtig muss genau hier eine
Korrektur erfolgen, die die SPD aber aus Angst verweigert, die eigene
Wählerklientel zu vergrätzen.
Dafür nimmt sie sogar eine Zunahme der Staatsverschuldung in Kauf und
flüchtet sich aus der Handlungsverantwortung in einen bequemen,
kollektiven Realitätsverlust. Symptomatisch dafür ist die
abenteuerlich leichtfertige Behauptung des arbeitsmarktpolitischen
Sprechers der SPD, Walter Pilger, man brauche nicht jedes halbe Jahr
eine Hartz-Korrektur, nur weil der Haushalt in Schwierigkeiten sei.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung