Börsen-Zeitung: Kurzschluss
Archivmeldung vom 18.09.2019
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Freigeschaltet durch André OttGemessen an der Aktienkursentwicklung hat RWE den Rivalen Eon bei der Zerschlagung von Innogy übervorteilt: Seit Bekanntgabe des 22 Mrd. Euro schweren Deals im März 2018 tritt der Börsenwert von Eon mit 20 Mrd. Euro auf der Stelle. Die Marktkapitalisierung von RWE stieg im selben Zeitraum um ein Viertel auf 15 Mrd. Euro. Zudem ist Eon inzwischen an der Börse weniger wert als die 90-Prozent-Beteiligung an Innogy.
Was geschieht finanziell bei dem Deal? Eon erhält mit der Übernahme zusätzliche sichere Milliardeneinnahmen aus den Netzen, türmt aber zugleich einen gefährlich hohen Schuldenberg von rund 35 Mrd. Euro auf. Kommt eines Tages die Zinswende, könnte das Konstrukt zusammenbrechen. RWE tauscht durch den Deal gleichsam die sicheren Dividenden der Tochter Innogy von jährlich einer halben Milliarde Euro gegen höhere, aber unsichere Erträge aus erneuerbaren Energien. Alle drei Konzerne haben bei den zahllosen Abspaltungen, Börsengängen und Fusionen der vergangenen Jahre zig Millionen Euro für Berater aus Investmentbanken und Kanzleien ausgegeben - müssen jetzt aber schon wieder an einer neuen Strategie für den Kapitalmarkt feilen.
Aus der Sicht von Kartellwächtern könnte eine ganz bestimmte Personalie noch Brisanz entwickeln: Der Vorstandschef des mit weitem Abstand größten deutschen Stromerzeugers RWE, Rolf Martin Schmitz, zieht in den Aufsichtsrat von Europas größtem Stromverteiler Eon ein. 440 Millionen neue Aktien gibt Eon an RWE aus, die den Kurs verwässern. Schmitz vertritt im Eon-Kontrollgremium künftig die Interessen von RWE als größtem Anteilseigner mit einem Aktienpaket von knapp 17 %. RWE wird also künftig über bessere Informationen zur Situation in Europas Stromnetz verfügen als jeder konkurrierende Stromerzeuger.
Was springt für die Aktionäre raus? Außer Spesen ist bisher wenig gewesen. Eon hatte seine Schulden Anfang 2018 nach der Atommüll-Übertragung auf den Staat mühsam auf 16 Mrd. Euro reduziert - wird sie aber nun gleich wieder mehr als verdoppeln, zugegebenermaßen ergänzt um einen vergrößerten Ertragsstrom. Die Anteilseigner von Innogy, vor allem RWE, erhalten nur ungefähr das zurück, was sie beim Börsengang gezahlt haben.
Und RWE holt mit der Ökostromsparte einen Großteil der zuvor an die Börse gebrachten Assets von Innogy zurück, verliert aber den Dividendenstrom. Am Ende könnten nach all den Ausgliederungen, Abspaltungen, Fusionen und Börsengängen die Investmentbanker am meisten verdient haben.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Christoph Ruhkamp