Neue OZ: Symbolcharakter
Archivmeldung vom 13.05.2011
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.05.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Urteil gegen John Demjanjuk hat in erster Linie symbolischen Wert. Anders kann man es nicht nennen, wenn ein 91-jähriger kranker Greis zu nur fünf Jahren Haft verurteilt wird, das Gericht aber als freier Mann verlässt, und das trotz der richterlich festgestellten Beteiligung an dem Massenmord an rund 28 000 Juden im NS-Vernichtungslager Sobibor.
Auch haftet dem Urteil der Makel an, dass die Staatsanwaltschaft Demjanjuks Schuld nicht klar beweisen konnte. Es gab zwar viele Indizien, aber letztlich keinen konkreten Tatvorwurf; kein Zeuge hat den gebürtigen Ukrainer je in Sobibor gesehen. Und es steht nach wie vor der Vorwurf im Raum, das Hauptbeweisstück, Demjanjuks Dienstausweis, sei eine Fälschung. Weil der Richter trotzdem der Anklage gefolgt ist und den Mann schuldig gesprochen hat, muss er sich von Kritikern nun vorwerfen lassen, die deutsche Justiz messe mit zweierlei Maß, schließlich heiße es ansonsten: im Zweifel für den Angeklagten.
Demjanjuks Fall zeigt vor allen Dingen auf, was die Rechtsprechung der Bundesrepublik in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg versäumte. Als Täter und Zeugen noch nicht alt, krank oder schon verstorben waren, wäre Zeit gewesen für eine lückenlose Aufklärung von NS-Kriegsverbrechen. Urteile hätten wirklich Bestrafung sein können und nicht nur, wie jetzt bei Demjanjuk, Symbolcharakter gehabt.
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung