Börsen-Zeitung: Die Rechthaber
Archivmeldung vom 18.02.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.02.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Konflikt zwischen der Lufthansa und ihren Piloten haben beide Seiten recht. Das Management liegt mit der Einschätzung richtig, dass es sich in Zeiten eines harten globalen Wettbewerbs ein Korsett aus strikten Regeln nicht mehr leisten kann. Zu unflexibel ist in der Tat etwa die Festlegung darauf, dass alle Flieger mit mehr als 70 Sitzen von gut bezahlten Lufthansa-Piloten statt günstiger operierenden Flugzeugführern der Tochter-Airlines geflogen werden müssen.
Die Piloten aber fürchten angesichts notwendiger Sparmaßnahmen zu Recht um ihre Privilegien und ihre Arbeitsplätze. Sie machen deshalb einen Beitrag zu Kostensenkungen davon abhängig, dass ihnen die Airline bei den Regelungen des Manteltarifvertrags entgegenkommt.
Nun könnten beide Seiten auf ihrem Recht bestehen und den Lufthansa-Betrieb über Wochen lahmlegen. Streiktag für Streiktag gingen dem Unternehmen so 10 bis 20 Mill. Euro verloren, sodass die Airline angesichts einer schwachen Nachfrage und streikbedingter Ausfälle schnell in die roten Zahlen abrutschen würde. Am Ende käme Lufthansa womöglich um die betriebsbedingten Kündigungen, die sie bisher zu vermeiden versucht, nicht mehr herum. Dieses Szenario dürfte den Rechthabern auf beiden Seiten nicht gefallen.
Es wird Piloten und Lufthansa-Management also nichts anderes übrig bleiben, als an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Am besten noch vor dem angekündigten viertägigen Streik, der dann womöglich verkürzt oder verhindert werden könnte. Bei den Gesprächen müssen sich beide Seiten bewegen. Die Flugzeugführer könnten die für 12 Monate in Aussicht gestellte Nullrunde auf 24 bis 36 Monate verlängern, was angesichts ihrer üppigen Vergütung nicht allzu schmerzhaft sein dürfte. Im Gegenzug müsste sich Lufthansa darauf einlassen, dass eine verstärkte Auslagerung an produktivere Tochtergesellschaften, die sogenannte Ausflaggung, nur Schritt für Schritt vonstattengehen wird, sodass es für die jetzt aktiven Lufthansa-Piloten eine Art Bestandsgarantie gäbe.
Grundsätzlich gilt, dass sich die Streithähne schon viel früher um einen Kompromiss hätten bemühen müssen. Der Konflikt um die "Ausflaggung" schwelt schon seit vielen Jahren und gerade jetzt, wo sich die Airline-Branche nur mühsam erholt, tun streikbedingte Umsatzeinbußen besonders weh.
Quelle: Börsen-Zeitung