Neues Deutschland: Überreeder
Archivmeldung vom 30.12.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittKapitän Eggers, 69 Jahre alt, war Chef auf der »Taipan«. Die hatten Freibeuter zu Ostern am Horn von Afrika geentert. Die Besatzung stoppte alle Maschinen, schloss sich in der eigens dafür eingebauten »Zitadelle« ein und wartete ab, bis niederländische Marines die ungebetenen Gäste abholten. Sie stehen nun in Hamburg vor Gericht und Zeuge Eggers warnt davor, die Piratengeschichte »zu überdrehen«: Piraterie sei nun mal für Seeleute Berufsrisiko, er sei auf See schon öfter abgezockt worden. Doch dabei hatten die Angreifer nie geschossen.
Nun aber tun sie es - vor Somalia, vor den Seychellen. Als Antwort feuern Kriegsschiffe auf sie. Keiner weiß, wie viele Opfer es schon gibt. Wohl aber kann man wissen, dass Feuerwechsel und Aufrüstung das Problem nicht lösen. Dennoch will der deutsche Reederverband die Regierung (abermals) überreden, »bewaffnete hoheitliche Kräfte« auf seinen Schiffe zu stationieren. Bewusst lässt man offen, ob die von der Bundespolizei oder der Bundeswehr gestellt werden. Völker-, verfassungs- und strafrechtliche Weiterungen werden ignoriert. Das passt! Allzu viele deutsche Reeder flaggen zwar nicht Schwarz-Rot-Gold, denn ausgeflaggt lassen sich Steuern, Heuer und bisweilen sogar Sicherheitseinrichtungen - zu denen neuerdings auch piratensichere Räume gehören - sparen. Und dennoch verlangen sie Schutz - vom deutschen Staat, seinen Bewaffneten und den Steuerbürgern. Wenn das nicht »überdreht« ist!
Quelle: Neues Deutschland