Westdeutsche Zeitung: Absurdes Theater bei Volkswagen
Archivmeldung vom 25.04.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVor zwei Jahren wurde Porsche beim Einstieg bei VW noch von der Belegschaft als Retter gefeiert. Jetzt ist der Stuttgarter Autobauer zum Feind geworden. Schuld daran ist vor allem Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, der ungeschickt mit den VW-Werkern umspringt und ihnen Angst macht.
Der Westfale, der Porsche saniert hat und dafür jährlich über 60 Millionen Euro an Gehalt kassiert, lässt gerne den "Gutsherren" raushängen. Vielleicht spielt er aber auch nur für die Familien Porsche und Piëch den Buhmann, damit die sich nicht die Hände schmutzig machen müssen. Dass das alte VW-Gesetz von der EU gekippt wurde, ist Wiedeking jedenfalls nicht genug. Jetzt soll auch noch die Macht der Wolfsburger bei der Mitbestimmung beschnitten und die niedriger als übliche Sperrminorität gekippt werden. Dass für 360 000 VW-Werker im künftigen Gesamtbetriebsrat gleich viele Sitze vorgesehen sind wie für 11 500 Porsche-Mitarbeiter, ist nicht nur auf den ersten Blick ungerecht. Auf den zweiten sieht man gleich, dass die Anliegen der Wolfsburger künftig keine besondere Rolle mehr spielen sollen. Die Sitzverteilung hätte Porsche leicht anders regeln können - aber wollte nicht. Darüber werden am kommenden Dienstag Arbeitsrichter entscheiden. Eine Sperrminorität von 20 Prozent ist zwar in deutschen Aktiengesellschaften ungewöhnlich. Sie ist aber nicht ausgeschlossen. Wenn ein Unternehmen will, dass 80 Prozent aller Aktionäre wichtige Entscheidungen absegnen müssen, dann darf es das. Dass das nicht im Sinne von Porsche ist, liegt auf der Hand. Denn diese Hürde müsste dann auch bei einem Beherrschungs- und Gewinnabführungvertrag genommen werden, auf den die Stuttgarter bei VW hinsteuern. Die Aufforderung an das Land Niedersachsen, weitere fünf Prozent VW-Aktien zuzukaufen, ist jedenfalls eine Farce. Das würde den Steuerzahler 3,3 Milliarden Euro kosten. Porsche und Wiedeking sollten alles in Ruhe überdenken. Jahrelange Prozesse bringen nichts. Der gerade erstarkende Autobauer, der Toyota den ersten Platz streitig machen will, kommt so nicht voran. Und kein Unternehmen der Welt lässt sich gegen die Belegschaft führen. Das müsste eigentlich auch Wiedeking wissen. Er sollte einlenken.
Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Ingo Faust)