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Die Lausitzer Rundschau Cottbus zu den Massenprotesten der Ärzte in Berlin: West-Ost-Gefälle

Archivmeldung vom 19.01.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.01.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Deutsche Ärzte als „Sklaven in Weiß“, die unter „unmenschlichen Arbeitsbedingungen“ die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherstellen? Bei allem Verständnis für den Ärger über die Defizite des Gesundheitssystems: Ein paar Nummern kleiner hätten es bei der gestrigen Ärzte-Demo in Berlin auch getan. Wirkliches Elend ist in der Regel anderswo in der Welt zu Hause als in deutschen Arztpraxen.

Dessen ungeachtet kann aber kein Zweifel bestehen: Wenn gesellschaftliche Gruppen auf die Straße gehen, um für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Honorare zu demonstrieren, dann ist das ihr gutes Recht. Fairerweise hätten die Mediziner gestern aber dazu sagen müssen, wo die Milliarden, die ihrer Ansicht nach derzeit im Gesundheitssystem fehlen, denn herkommen sollen – nämlich von der Gemeinschaft der gesetzlich Versicherten, den Kassenpatienten. Dass es den Ärzten gelingt, jene von der Notwendigkeit zu überzeugen, deutlich mehr für die Gesundheit auszugeben, darf jedoch bezweifelt werden. Denn die Lage ist ein wenig komplexer, als sie führende Vertreter der Ärzteverbände an solchen Tagen gerne darstellen. Erstens: Die Zahl der niedergelassenen Ärzte hat seit 1992 bundesweit um 28 Prozent zugenommen – auch als Folge des medizinischen Fortschritts. Die zur Verfügung stehenden Mittel (die jährlich ohnehin steigen) verteilen sich dadurch auf mehr Köpfe. Zweitens: Mit einem bundesweiten durchschnittlichen Jahreseinkommen von über 80 000 Euro brutto liegen die Ärzte im Vergleich mit allen anderen Akademikern noch immer ganz vorn. Drittens: Bei den Ärzten selbst gibt es ein massives West-Ost-Gefälle. Während die Mediziner in den neuen Bundesländern nur 70 Prozent der Einnahmen ihrer Kollegen im Westen haben, behandeln sie im Durchschnitt 30 Prozent mehr Patienten. Internisten in den alten Bundesländern konnten so 2003 einen durchschnittlichen Praxisüberschuss (inklusive Einnahmen von Privatpatienten) in Höhe von 137 000 Euro erzielen, Hausärzte im Osten gerade mal 63 000 Euro. Natürlich stehen eben dort auch die meisten jener tatsächlich in ihrer Existenz bedrohten Praxen. Viertens: Verbunden mit dieser Tatsache ist auch der Ärztemangel vorrangig ein Problem des Ostens. Von 1000 unbesetzten Praxen sind 750 in Ost- und 250 in Westdeutschland. Wer diese Schieflage beseitigen will – und das ist dringend notwendig – ,indem einfach ein paar zusätzliche Milliarden ins System gepumpt werden, macht sich die Sache zu einfach. In die richtige Richtung geht dagegen der Ruf der Ärzte nach weniger Bürokratie. Bei einem Umbau des Gesundheitssystems, der eine gerechtere Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel sicherstellt, sind aber alle gefordert: Politik, Krankenkassen – und nicht zuletzt die Vertretungen der Ärzteschaft selbst, die kassenärztlichen Vereinigungen.

Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau

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