Das WESTFALEN-BLATT zum Thema SPD
Archivmeldung vom 08.03.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.03.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer überfällige Aufstand mindestens einer Anständigen hat die SPD in Hessen vor einem Desaster bewahrt - um den Preis des möglichen Scheiterns von Andrea Ypsilanti und Kurt Beck. Die SPD-Abgeordnete Dagmar Metzger bleibt bei ihrer Weigerung, mit den Linken gemeinsame Sache zu machen.
Allein deshalb musste Ypsilanti die Notbremse ziehen und den geplanten Wortbruch abblasen. Sonst wären ihr weitere Genossen von der roten Fahne gegangen. Hessens rote Frontfrau mit dilettantischem Management muss der aufrechten Genossin aus Darmstadt dankbar sein. Allein Metzgers respektable Haltung ersparte Ypsilanti den brandgefährlichen Ritt auf der Rasierklinge. Das rot-rot-grüne Experiment hätte sie auf Gedeih und Verderb der Linken ausgeliefert. Tragisch für alle, die Roland Koch abgelöst sehen wollen: Ypsilantis Stern verglühte, noch bevor der neue Landtag ein einziges Mal getagt hat. Weder Ypsilanti noch Kurt Beck können der SPD jetzt noch in höheren Ämtern von Nutzen sein. Fortan müssen sie diszipliniert und fleißig die ihnen gestellten Aufgaben erfüllen, für die Staatskanzlei beziehungsweise eine Kanzlerkandidatur kommen sie nicht mehr in Frage. Zu groß ist der Glaubwürdigkeitsverlust, den sie der Partei beigebracht haben, zu tief das Ansehen bei den dramatisch schwindenden Wählern gesunken. Hoffnung kann die SPD jetzt nur noch aus sich selbst schöpfen. Wo alle Stimmen der Vernunft aus Berlin ungehört verhallten, war es ausgerechnet die Historie und das Selbstverständnis der deutschen Sozialdemokratie, die sie vor Schlimmerem bewahrte. Denn Dagmar Metzger hat in der Familie ihres Mannes und am eigenen Leibe erlebt, was die Zwangsvereinigung zur SED und die Mauer anständigen Genossen in Berlin alles angetan haben. Seit Otto von Bismarck das falsche und böse Wort von den »vaterlandslosen Gesellen« geprägt hat, haben Sozialdemokraten in der Geschichte immer wieder, auch unter großen Opfern, den Nachweis des Gegenteils geführt. Diesen Zusammenhang gilt es zu würdigen. Bei allem tagespolitischen Ärger kann gerade aus dieser Tradition heraus verlorenes Vertrauen langfristig zurückgewonnen werden. Tagespolitisch sind die Grünen die wahren Gewinner. Fortan werden sie im Spiel der wechselnden Mehrheiten die meist umworbene politische Kraft im Wiesbadener Landtag sein. Die nur noch geschäftsführende Regierung Koch braucht Joschka Fischers Erben. Die SPD kann nicht ohne sie und die FDP wird für Jamaika Kröten schlucken, bis sie grün wird. Und die SPD im Bund? Dort werden die Stimmen der Vernunft wieder die Oberhand gewinnen. Peer Steinbrück hat offen gegen Becks Linksöffnung rebelliert, Frank-Walter-Steinmeier hat deutlicher, als der Chef-Diplomat je gesprochen hat, vor dem rot-roten Experiment gewarnt. Beide haben sie Recht behalten und könnten schon bald die Verantwortung übernehmen müssen.
Quelle: Westfalen-Blatt