Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
Archivmeldung vom 28.02.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAusgerechnet am Rosenmontag hat die BND-Affäre ihren vorläufigen irrwitzigen Höhepunkt erreicht. Was die New York Times unter Berufung auf eine geheime Militärstudie an Vorwürfen erhebt und die Bundesregierung umgehend dementiert, ist so ungeheuerlich, dass es einem die Sprache verschlägt.
Sollte sich bewahrheiten, dass zwei BND-Agenten vor Ausbruch des
Irakkrieges Verteidigungspläne für Bagdad an die US-Regierung
weitergegeben haben, dann wäre das Ende einer Legende vom
Friedenskanzler Gerhard Schröder dabei noch das geringste Übel. Weit
schwerer wöge der damit für Deutschland verbundene Verlust an
Glaubwürdigkeit in der arabischen Welt. Dort also, wo der Druck für
mehr Demokratie vor allem als säuerliches Moralisieren wahrgenommen
wird. Und wo sich der Westen am härtesten an seinen eigenen Werten
messen lassen muss.
Wer sollte dann eine Kritik an Guantánamo Bay und Abu Ghoreib,
eine Unkenntnis der CIA-Flüge oder der Entführung Khaled El Masris
noch Ernst nehmen? Ob der BND-Einsatz mit Zustimmung oder Wohlwollen
aus Berlin erfolgte beziehungsweise schlicht und einfach aus dem
Ruder deutscher Gründlichkeit lief, hätte für Muslime vermutlich die
gleiche Brisanz wie der umgestürzte und sprichwörtliche Sack Reis in
China.
Soweit die Theorie. Eine Theorie. Eine andere lautet, dass
derartige Informationen gezielt über den Atlantik lanciert werden, um
den gelegentlich aufmüpfigen Verbündeten zu disziplinieren. Zuletzt
übrigens vor dem USA-Besuch von Außenminister Frank-Walter
Steinmeier. In der Tat drängt sich die Vorstellung nicht eben auf,
die Intim-Feinde Gerhard Schröder und George W. Bush könnten im Irak
doch gemeinsame Sache gemacht haben. Gezielte Indiskretionen also mit
der Absicht, dass die in Washington als Genörgel empfundene Kritik
aus Europa künftig kleinlauter ausfällt.
In Berlin gerät dabei neben der großen Koalition vor allem die FDP
unter Handlungszwang. Nachdem sich die Grünen die als einstiger
Koalitionspartner ja eigentlich genau Bescheid wissen müssten und
die Linkspartei für einen Untersuchungsausschuss ausgesprochen haben,
liegt der Schwarze Peter jetzt bei Guido Westerwelle. Der war für
seine Partei zunächst brüllend als Tiger abgesprungen, um kurz darauf
kleinlaut als Bettvorleger zu landen. Im FDP-Hinhalte-Deutsch: Bis
zum 7. März sollen erst mal weitere Erkenntnisse in der Sache
gesammelt werden. Ob man dabei an solche wie jetzt in der New York
Times veröffentlicht gedacht hat, darf allerdings bezweifelt werden.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung