Westfälische Rundschau: WR-Kommentar zum Rentenbericht
Archivmeldung vom 09.03.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.03.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSchon der Begriff ist irreführend: Die Rentenversicherung ist keine Versicherung im üblichen Sinne. Man erhält nicht verzinst zurück, was man einmal eingezahlt hat, wie das bei einer Lebensversicherung der Fall ist. Es gibt auch keinen Einheitsbeitrag, der eine einheitliche Leistung begründet, wenn der Versicherungsfall eintritt.
Unser Rentensystem ist aus dem Solidaritätsgedanken heraus
entstanden: Die arbeitenden Generationen finanzieren mit ihren
Rentenbeiträgen den Ruhestand der Alten. Nicht allein der eigene
Fleiß entscheidet über späteren Wohlstand, sondern Zahl und
Leistungsfähigkeit der dann Arbeitenden. Heute beeinträchtigt ein
ganzes Bündel von Problemen die Leistungsfähigkeit der aktiven
Arbeitnehmergeneration: Geburtenrückgang, hohe Arbeitslosigkeit,
sinkende Realeinkommen und nicht zuletzt das sozialpolitische Erbe
der DDR.
Es ist eine zwangsläufige Folge dieser Entwicklung, dass die
Rentner nun auf Zuwächse verzichten oder gar Kürzungen hinnehmen
müssen, weil auch die Einkommen der Beitragszahler stagnieren oder
sogar sinken. Der Politik ist daraus kein Vorwurf zu machen.
Vorzuwerfen ist ihr allerdings, dass sie sich abermals mit
Notoperationen begnügt, statt das gesamte System kritisch zu prüfen.
Die finanzielle Absicherung des Alters ist keine
versicherungsmathematische, es ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. An
dieser Aufgabe beteiligen sich mit ihren Beiträgen aber nur die
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (deren Zahl kontinuierlich
zurückgeht) und deren Arbeitgeber. Es wird deshalb auf längere Sicht
kein Weg daran vorbeiführen, die Grundsicherung der Alten mit einem
deutlich höheren Anteil aus den allgemeinen Steuereinnahmen zu
finanzieren. Dann müssen auch jene einbezogen werden, die ihr
Einkommen aus anderen, nicht versicherungspflichtigen Quellen
beziehen.
Die große Koalition hätte die historische Chance, das
Rentensystem der Realität anzupassen. Sie beschränkt sich indes auf
kleine Wahrheiten - und unterläuft so die von ihr selbst beschworene
neue Ehrlichkeit.
Quelle: Pressemitteilung Westfälische Rundschau