Lausitzer Rundschau: Das Langzeitgift der Stasi wühlt noch immer die Seelen auf
Archivmeldung vom 07.03.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittGeschichte lebt - und leider nicht nur als eine Erinnerung an gute alte Zeiten. Die Vergangenheit des Aushorch- und Bevormundungs-Staates DDR bricht immer wieder in die Gegenwart und verschafft sich den Raum, den sie braucht, um aufgearbeitet zu werden. Der offene Brief der Fey-Söhne, in dem Philipp und Maciej Fey ihre Sicht der Wahrheit darstellen, offenbart eine tiefe Verletzung, die das DDR-System in die Seelen der Menschen gebrannt hat.
Der jüngere der beiden Kinder Ulrich Feys war zur Wende zehn Jahre alt - und sieht sich nun gezwungen, eine Vergangenheit aufzuarbeiten, mit der er als verantwortlich denkender und handelnder Mensch nichts zu tun hatte. Die Geschichte ist heiß: Ein seit Jahren hoch angesehener Mann - der IHK-Chef Ulrich Fey - wird plötzlich mit seiner Stasi-Vergangenheit konfrontiert. Er gibt zu, sich über Jahre mehrfach mit der Stasi getroffen zu haben und kommt automatisch in den Verdacht, Täter zu sein. Gleichzeitig existiert eine 167 Seiten dicke Opferakte, die Fey eindeutig als Kritiker des politischen DDR-Alltags ausweist. In welchem seltsamen Zwischenbereich befindet sich dieser Fall? Fest steht, er lässt sich nicht mit dem klassischen Schwarz-Weiß-Schema von Gut und Böse greifen. Fragen grundsätzlicher Art drängen sich auf: Wie beschreibe ich Opfer, die wie Täter, wie Täter, die wie Opfer erscheinen? Kann ein Täter gleichzeitig Opfer sein, aus einem Opfer ein Täter und aus einem Täter ein Opfer werden? Neu sind diese Fragen nicht, aber befriedigend beantwortet auch nicht. Das Ringen um Aufklärung und Geschichte geht weiter. Die Aufarbeitung dieser Geschichte ist ein Stück Aufarbeitung von Geschichte schlechthin. Und wenn man der scheidenden Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, folgen will, ist in Brandenburg diesbezüglich noch sehr viel zu tun. Das Land hatte einen unglücklichen Start in die neue Zeit, weil es von einem Stasi-befangenen Ministerpräsidenten regiert wurde, der der Aufarbeitung nicht die oberste Priorität einräumte und sie bisweilen sogar als Angriff auf die Ostdeutschen schlechthin deutete. 20 lange Jahre dauerte es, bis Stolpe im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der Einsetzung eines Stasi-Beauftragten in Brandenburg diesen Fehler einräumte. Begründung: Es habe Wichtigeres zu tun gegeben. Ein Denkfehler damals wie heute: Nichts war von Anfang an wichtiger, als sich aus der Umklammerung der Geschichte zu befreien, um die Luft für den Neuaufbau zu bekommen. Noch immer handelt es sich um eine nervenaufreibende und mühselige Aufklärungsarbeit, die viel Feinsinn benötigt. Das einfache Schwarz-Weiß-Opfer-Täter-Schema bringt die Aufklärungnicht weiter. Möglich, dass der Fall Fey genau diese Erkenntnis zu einer größeren Akzeptanz verhilft.
Quelle: Lausitzer Rundschau