FT: Eine Frage der Ehre
Archivmeldung vom 10.03.2011
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.03.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittKarl-Theodor zu Guttenberg hat seinem Nachfolger Thomas de Maizière ein schweres Erbe hinterlassen. Die unglaublich große Beliebtheit, die der zurückgetretene Verteidigungsminister bis zuletzt bei "seinen" Soldaten genoss, kann der neue Chef im Bendler-Block kaum erreichen. Immerhin scheinen de Maizière Berührungsängste fremd.
Demonstrativ suchte der Sohn eines Generals bei seinem ersten Truppenbesuch das Gespräch mit den Soldaten. Vertrauen schaffen lautet das Gebot der Stunde. Wenn erforderlich, eben mit einem Auftritt in lockerer Freizeitkleidung, so wie gestern auf dem Übungsplatz in der Letzlinger Heide. Der neue Verteidigungsminister hat eine Strukturreform geerbt, die der Truppe Gewaltiges abverlangt. Statt Aufbruchstimmung herrscht Unsicherheit in der Bundeswehr. Vielen Standorten droht die Schließung.
Aktuell ist aber die Nachwuchsgewinnung das brisanteste Thema. Beim überstürzten Übergang zur Freiwilligenarmee droht akute Personalnot. Es mangelt vor allem an Mannschaftsdienstgraden, die in der Vergangenheit in Masse von den Wehrdienstleistenden gestellt wurden. Wer jetzt noch in Erwägung zieht, zum "Bund" zu gehen, wartet erst mal ab, was ihm Vater Staat finanziell zu bieten hat. Prämienmodelle sind angedacht, müssen aber erst noch durch den Bundestag. Und im Zweifel bietet die freie Wirtschaft nach durchquertem Konjunkturtal ohnehin die bessere Perspektive.
De Maizière weiß um die Tragweite des Problems - und appelliert in seiner Verzweiflung an die Ehre der deutschen Jugend. Die jungen Männer und Frauen mögen doch bitte von jenem Geist beseelt werden, "den wir vom Ehrenamt her kennen". Geld sei schließlich nicht alles. Das sind hehre Worte, die aber ihr Ziel verfehlen werden. Der Dienst in den Streitkräften ist nun mal etwas anderes als der Dienst in der freiwilligen Feuerwehr oder bei der DLRG. Sein Leben in Afghanistan aufs Spiel zu setzen, ist weit mehr als eine Frage der Ehre. Nein, wer ausreichend qualifizierte Köpfe zur Armee locken will, muss tief in die Tasche greifen. Dass sich mit der Abschaffung der Wehrpflicht viel Geld sparen lässt, hat sich längst als Trugschluss erwiesen.
Quelle: Flensburger Tageblatt