Börsen-Zeitung: Lackmustest, Kommentar zur Geldpolitik
Archivmeldung vom 15.12.2017
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Freigeschaltet durch André OttTrump, Brexit, Nordkorea & Co. zum Trotz - das Jahr 2017 erscheint im Rückblick als eines, in dem die Notenbanker weltweit, vor allem aber jene in den USA und Euroland, in so etwas wie der besten aller Welten lebten: mit teils überraschend starkem Wachstum und zugleich überschaubarer Inflation. Leider spricht aber nun einiges dafür, dass 2018 deutlich ungemütlicher wird - und der wahre Lackmustest für die Notenbanker.
Die wenigsten Sorgen machen die Wachstumsperspektiven - vieles deutet auf einen anhaltenden Aufschwung hin. Die Inflation aber kann schnell zum Problem werden - so oder so: Dümpelt sie weiter unter dem verbreiteten 2-Prozent-Ziel herum, werden die Zweifel an Modellen und Möglichkeiten der Notenbanker größer und größer. Niemand sollte aber vorschnell ausschließen, dass es plötzlich eine rasche Aufwärtsdynamik bei Löhnen und Inflation geben kann - und das die Währungshüter auf dem falschen Fuß erwischt. Zudem werden die Finanzstabilitätsrisiken immer schlagender. Die Deutsche Bank attestiert gar schon die größte Anleiheblase in der Geschichte der Menschheit.
Allen voran die EZB muss höllisch aufpassen, nicht vollends "hinter die Kurve" zu fallen, wie es im Fachsprech heißt. Die Euro-Wirtschaft brummt und erste Experten reden schon von einem "Boom". Zugleich dürfte die Inflation nach einem - Basiseffektbedingten - Zwischentief Anfang 2018 weiter Richtung des Zielwerts von knapp 2 Prozent anziehen, auch wenn das länger dauert als früher. Breite Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE) passen jedenfalls schlicht nicht mehr in die Zeit. Leider haben sich die Euro-Hüter im Oktober bereits bis September 2018 auf QE festgelegt. Sie dürfen sich aber auch nicht übermäßig selbst die Hände binden und sie müssen 2018 in jedem Fall rechtzeitig die kommunikative Kurve kriegen, um keine Erwartungen an ein QE ad infinitum zu schüren. Ende 2018 muss mit den Käufen endlich Schluss sein.
Zum Lackmustest für den Ausstieg aus dem geldpolitischen Großexperiment der vergangenen Jahre wird 2018 auch deshalb, weil sich immer mehr Notenbanken in Richtung Exit bewegen. Der bisherige Normalisierungskurs der US-Fed ging wohl auch deshalb recht geschmeidig über die Bühne, weil zugleich andere, wie die EZB, ihre Politik weiter locker hielten oder gar lockerten - und so quasi in die Bresche sprangen. Das wird und darf absehbar nicht so bleiben. Entscheidend ist es dann, dass sich die Notenbanker weltweit eng abstimmen und die Gesamt- und Wechselwirkungen ihrer Entscheidungen berücksichtigen. Sonst droht nach der besten aller Welten ein böses Erwachen.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Mark Schrörs