Börsen-Zeitung: Der Staatsanleihen-Boom
Archivmeldung vom 03.01.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer gerade zu Ende gegangene Turnus wird als eines der schlimmsten Jahre der Finanzmärkte in die Geschichte eingehen. Aber es gibt nicht nur Verlierer der Marktverwerfungen, die von der Immobilienkrise in den Vereinigten Staaten ausgelöst worden sind.
Anleger, die ganz oder weitestgehend auf Staatsschuldtitel gesetzt haben, werden das Jahr in guter Erinnerung behalten. Denn sie haben Erträge eingefahren, bei denen selbst Aktienliebhaber von einem guten Jahrgang sprechen würden. Wer beispielsweise auf zehnjährige Bundesanleihen setzte, erzielte einen Gesamtertrag (Kuponverzinsung und Kursgewinn) von etwas mehr als 16%. Am ganz langen, d.h. 30-jährige Ende des US-Staatsanleihemarktes, war sogar ein Ertrag von über 40% erzielbar. Spektakulär ist dieses Ergebnis auch im Vergleich zum Aktienmarkt. Bei einer Einbuße des Dax von mehr als 40% ergibt sich für die zehnjährigen Bundesanleihen eine sehr hohe Outperformance von nahezu 57 Prozentpunkten.
Dieser extreme Wert spiegelt zum einen die völlige Verunsicherung der Investoren wider, die sich nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers eingestellt hat. Zum anderen ist er auch Ausdruck der zunehmenden negativen Auswirkungen der Vertrauenskrise auf die Realwirtschaft. Zum Jahreswechsel ist die Weltwirtschaft in den freien Fall übergegangen. Die Industrienationen befinden sich in einer synchronen Rezession. Aber auch die Schwellenländer, die sich eine Zeit lang resistent gezeigt haben, sind nun voll von der Krise erfasst worden und fallen als Kompensation für die Schwäche der Industrieländer aus. Die Folge des Abschwungs sind steil nach unten zeigende Preisindikationen, wobei insbesondere der Absturz des Ölpreises auf die Teuerungsraten drückt. Das wiederum schafft Spielraum, die Leitzinsen zu senken bzw. im Falle Japans und der USA über einen längeren Zeitraum bei nahe Null zu belassen.
Das desolate Bild, das im Moment insbesondere die US-Wirtschaft abgibt, ist am Freitag leider einmal mehr bestätigt worden. Der viel beachtete Konjunkturindex des Institute for Supply Management hat sich nicht wie vom Markt erwartet bei 35,5 Zählern stabilisiert, sondern ist von November auf Dezember von 36,2 auf 32,4 Punkte weiter abgesackt und hat damit das niedrigste Niveau seit 1980 erreicht. Auch die Beschäftigungskomponente ist stark abgesackt. Damit ist für die neue Woche eine weitere Schreckensmeldung programmiert. Denn es zeichnet sich nun deutlich ab, dass auch der am Freitag anstehende US-Arbeitsmarktbericht vom Dezember grausam ausfallen wird. Nachdem der Bericht vom November mit einem Rückgang der Stellen in der US-Volkswirtschaft von über 500000 geschockt hat, befürchten die Volkswirte, dass für den Dezember ein weiterer heftiger Schwund von rund 500000 Stellen ausgewiesen wird.
Trotz des für Renten günstigen Umfelds können Anleger jedoch nicht so ohne weiteres davon ausgehen, dass sich der Boom der Staatsanleihen noch lange fortsetzt und somit erneut ein sehr prächtiger Jahrgang ansteht. Zwar werden sich die Konjunkturindikationen nicht so schnell verbessern. Märkte nehmen jedoch Wenden in der Realwirtschaft vorweg. Für Staatsanleihen besteht daher das Risiko, dass die Marktteilnehmer relativ frühzeitig beginnen werden, auf die Erholung zu setzen, und wieder in riskantere Anlagen umschichten. Auf den mittlerweile erreichten sehr hohen Kursniveaus, durch die die Kupon-Verzinsung zudem mit 3% bei zehnjährigen Bundesanleihen nicht gerade attraktiv wirkt, baut sich somit ein erhebliches Rückschlagpotenzial auf.
In diese Richtung deuten auch die umfangreichen Hilfsmaßnahmen, die Regierungen und Notenbanken eingeleitet haben, um den an den Märkten teilweise bereits eingepreisten Deflationsrisiken entgegenzutreten. Längerfristig besteht darüber hinaus Gefahr, dass gerade die Flutung des Systems mit Liquidität und die zur Ankurbelung der Konjunktur hochgefahrenen Staatsausgaben sogar wieder erhebliche Inflationsrisiken aufbauen. Das würde für Staatsanleihen sogar ein sehr abträgliches Umfeld bedeuten.
Quelle: Börsen-Zeitung (von Christopher Kalbhenn)