Börsen-Zeitung: Siemens' Schachzug, Kommentar von Michael Flämig zur Zusammenlegung des Telefon-Netzwerkgeschäfts von Siemens und Nokia
Archivmeldung vom 20.06.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlEndlich! Siemens hat eine Lösung für den Großteil des Kommunikationsgeschäfts gefunden. Die finnische Nokia nimmt die Telekomnetze unter ihre Fittiche, die Münchner ziehen sich de facto auf eine Finanzbeteiligung zurück. Die Last, die Vorstandschef Klaus Kleinfeld abwirft, ist gewaltig. Dies zeigt auch der Aktienkurs.
Das Siemens-Papier schnitt 2006 bis Ende letzter
Woche um 13 Prozentpunkte schlechter als der Deutsche Aktienindex.
Bis zum Handelsschluss am Montag verringerte sich die
Underperformance auf acht Punkte. Der Konglomeratsabschlag schrumpft.
Mit dem jetzigen Plan hat die kriselnde Siemens-Sparte Communications - wenngleich der Stellenabbau schmerzhaft sein wird - eine Zukunft. Denn die neue Nokia Siemens Networks besitzt eine Marktmacht, die die Chance auf gute Renditen jenseits des hochprofitablen Mobilnetzgeschäft erhöht. Die Verhandlungen - seit Dezember standen die Partner im engeren Kontakt, seit Ende Mai war Druck auf dem Kessel - haben sich gelohnt.
Trotzdem muss man den Atem anhalten angesichts des Kraftaktes, den
Kleinfeld seinem Unternehmen zumutet. Die Wurzeln von Siemens liegen
im Telekomgeschäft. Sie sind gekappt. Damit wird Siemens innerhalb
eines guten Jahres voraussichtlich rund ein Fünftel seines Umsatzes
verkauft haben. Dies sind immerhin etwa 16 Mrd. Euro. Erst wurden die
Mobiltelefone abgegeben (3,4 Mrd. Euro), jetzt kommen die Netze (9,2
Mrd. Euro), und später wird das Enterprise-Geschäft mit
Unternehmenskunden folgen (rund 3 Mrd. Euro). Rücksichten werden
dabei nicht genommen, wie das Schicksal des Com-Chefs Montes Pérez
beispielhaft zeigt. Er steht sieben Wochen nach Amtsantritt quasi
ohne Bereich da.
Nokia Siemens Networks wird anfangs zwar den Siemens-Gewinn
schmälern, aber nicht mehr als operative Einheit im
Siemens-Zahlenwerk auftauchen. Dies ist wichtig, weil Kleinfeld so
voraussichtlich ein zentrales Versprechen einlösen kann: Alle
Bereiche werden im Frühjahr 2007 ihre Renditen erreichen. Ein echtes
Hindernis bildet noch der IT-Dienstleister SBS.
Der Umbau ist aber kein Wert an sich. Entschlossenheit darf nicht mit Stärke verwechselt werden. Erstens wird der Konzernchef auch daran gemessen, wieviel die Com-Auflösung kostet. Zweitens - und dies ist mittelfristig wichtiger - muss sich die Ausrichtung auf sogenannte Megatrends erst bezahlt machen.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung