Westdeutsche Zeitung: Streit SPD/Guttenberg
Archivmeldung vom 03.06.2009
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.06.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten Schmittynisch betrachtet hätte der SPD nichts Besseres als die Wirtschaftskrise passieren können. Sie gibt ihr Gelegenheit, den gespenstischen Aufstieg der Linken zu stoppen - weil die Bürger den Fundamentaloppositionellen in der Krise keine Verantwortung übertragen wollen, weil die SPD mit ihrer Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik wieder näher an die Gewerkschaften heranrückt, weil sie endlich wieder ihren sozialdemokratischen Markenkern als Kümmerer für die sogenannten kleinen Leute pflegen kann.
Mit der umstrittenen Milliardenrettung von Opel bietet sich nun auch noch die Gelegenheit, beim politischen Gegner den Spaltpilz gedeihen zu lassen. Das Eintreten von Wirtschaftsminister zu Guttenberg für die Insolvenz, die alle Ordnungspolitiker der Union begeistert, wird beim Koalitionspartner tatsächlich noch lange nachhallen. Genüsslich hat Gerhard Schröder mit seiner abschätzigen Formel vom "Baron aus Bayern" den Ton vorgegeben. Die SPD knüpft damit unverhohlen an ihre Kampagne gegen den Steuerexperten Paul Kirchhof an, den sie im vorangegangenen Bundestagswahlkampf erfolgreich als den "Professor aus Heidelberg" diffamierte. Als Erfolgsrezept wird diese Analogie allerdings nicht taugen. Bei ihrem bedingungslosen Kampf um die Arbeitsplätze bei Opel, Arcandor und Co. übersieht die SPD offenbar, dass die Wähler genauso Steuerzahler sind. Zudem scheint ausgerechnet in der Krise wirtschaftspolitische Vernunft mehrheitsfähig zu sein. Der überwiegende Teil der Bürger lehnt nicht nur die ausgeuferte Abwrackprämie ab, die allein über vier Milliarden Euro Steuergelder verschlingen wird. Die Mehrheit der Wähler betrachtet auch die staatliche Absicherung des Magna/Opel-Deals mit einer gesunden Skepsis. So kann sich die Selbstinszenierung des SPD-Kanzlerkandidaten Steinmeier als Job-Retter noch als missglückte Rollenwahl erweisen. Die 300 Millionen Euro, die Magna jetzt aus Berlin erhält, geben den Wählern einen ersten Eindruck davon, dass die Risiken dieses Geschäfts allein beim Staat liegen. Es wird nicht lange dauern, bis die Bürger bemerken, dass mit den Krediten und Staatsbürgschaften weniger die Arbeitsplätze gesichert, als die Risiken von den Eignern, den Banken und den Investoren auf die Steuerzahler abgewälzt wurden.
Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Friedrich Roeingh)