Neues Deutschland: kommentiert den Ausgang der Stichwahl zur Präsidentschaft in Polen
Archivmeldung vom 25.10.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSie haben's inzwischen mehrfach bewiesen: Ein Großteil der Polen macht sein Kreuz lieber in der Kirche als in der Wahlkabine - obwohl eines das andere nicht ausschließen müsste. Diejenigen aber, die sich dazu aufraffen, irgendwelchen weltlichen Herrschern demokratische Weihen zu erteilen, setzen ihr Kreuz in der Mehrzahl nicht dort, wo es die Umfrageinstitute erwarten, die Regierenden in den Nachbarstaaten erhoffen und die »seriösen« Medien gerne sähen.
Also nicht beim liberalen, welt- und EU-offenen
Merkel-Freund Donald Tusk, sondern beim konservativ-katholischen
Nationalisten Lech Kaczynski.
 Das zugespitzte Fazit einschlägiger Kommentare lautet: Die
Dorftrottel waren in der Überzahl. Richtig ist, dass in Polen das
Misstrauen gesiegt hat - gegen die Marktherrschaft und die
Europäische Union, wie sie dem Land von allen bisher Regierenden
übergestülpt wurden. Kaczynskis Wähler sind durchaus nicht blind
gegenüber den »Errungenschaften« der letzten 16 Jahre, sie sehen
sogar sehr klar - wie sich die Profiteure der »Transformation« die
Taschen vollstopfen, während sie selbst von der Hand in den Mund
leben. Die meisten dürften sogar wissen, dass Kaczynski als Präsident
und sein Bruder als heimlicher Regierungschef daran nichts ändern
werden. Es war ihnen wenigstens ein kleiner Trost, »den anderen« in
Warschau, Brüssel und sonstwo in die Suppe spucken zu können. Über
die Folgen tröstet man sich später unterm anderen Kreuz.
Quelle: Pressemitteilung Neues Deutschland