Lausitzer Rundschau: Die deutsche Parteienlandschaft und die Linke
Archivmeldung vom 26.02.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Slogan des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton lautete: It's the economy, stupid - die Wirtschaft ist das Thema, Dummkopf. Nach den Landtagswahlen in Hessen, Niedersachen und Hamburg muss sich die CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel sagen: Es ist die Gerechtigkeit, verdammt.
In zwei der drei Länder gibt es jetzt eine linke Mehrheit. Rechnerisch, noch nicht praktisch. Im Bundestag gibt es sie auch, schon seit 2005. Man stelle sich nur vor, bei den Linken wären andere als Oskar Lafontaine an der Parteispitze - schon wäre die Macht für das bürgerliche Lager verloren. Auf Jahre hinaus. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck bereitet seine Partei kühl darauf vor. Angela Merkel die CDU auch, indem sie sie für eine Zusammenarbeit mit den Grünen öffnet. Das ist die andere Zäsur nach diesen drei Wahlen. Aber Beck ist seiner neuen Mehrheit viel näher als die Kanzlerin ihrer. Denn als reine Mehrheitsbeschaffer für die CDU werden die Grünen nicht zu haben sein. Schwarz plus Grün plus Gelb, das muss erst noch kompatibel werden. Es beginnt mit der Analyse. Der Links-Ruck ist in Wahrheit nur der Durchbruch der Wirklichkeit. Gerechtigkeit ist das Thema, nicht Sicherheit, wie Merkel zu erkennen glaubt. Ein paar Fakten: In keinem europäischen Land hat die Spreizung zwischen Reich und Arm so stark zugenommen wie in Deutschland. Nettoeinkommen und Kaufkraft der Arbeiter und Angestellten stagnieren, die der Rentner und Arbeitslosen sinken. Nirgendwo sind die Bildungschancen für Menschen aus ärmeren Schichten so schlecht wie bei uns. Nirgends wird so früh aussortiert. Die Kinderarmut wächst. Die Altersarmut steht erst bevor, wenn die Hartz-IV-Empfänger in Rente gehen. Vor dieser Kulisse spielt der Steuerskandal der Millionäre. Vor dieser Kulisse wird über Managergehälter geredet, ohne Ergebnis, und über Managerversagen, ohne Konsequenz. Vor dieser Kulisse blockiert die Union Mindestlöhne und lehnt in den vor ihr regierten Ländern Schulreformen ab, die die frühe Auslese beenden. Dafür führt sie Studiengebühren ein. Wenn die Union strukturell mehrheitsfähig bleiben will, muss sie sich der Frage der Gerechtigkeit ganz anders nähern als bisher. Es geht um soziale Marktwirtschaft im besten Sinne, um mehr Chancengleichheit und größere Verteilungsgerechtigkeit. Das, stupid, müsste eigentlich Merkels Lehre nach Hessen, Niedersachsen und Hamburg sein. Mit einem bloßen Lagerwahlkampf wird sie im nächsten Jahr keinen Blumentopf gewinnen.
Quelle: Lausitzer Rundschau