WAZ: Anschauen statt Aufschauen
Archivmeldung vom 16.06.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs gibt Sternchen, es gibt Stars, es gibt Superstars - und es gibt solche, die wir nie vergessen. Woran das liegt, wird man fragen dürfen am Tage des Todes von Heidi Kabel. Jener Heidi Kabel, die doch seit Jahren im wahrsten Sinne des Wortes schon keine Rolle mehr gespielt hat. Ihr galt ja kein Altersbonus. Kabel war schon mit Ende 40 eine Institution.
Wie Willy Millowitsch, wie Inge Meysel. Namen, die Programm waren - vielleicht keine genialen Staatstheatermimen, keine Menschen, zu denen man auf der Bühne eingeschüchtert aufschaute, sondern solche, die man einfach gern anschaute. Es gibt heute keine deutschen Schauspieler dieser Sorte, denen sich die Menschen so verbunden fühlen. Obwohl doch inzwischen jeder zweite von ihnen seine Scheidungsgeschichte einer Wartezimmerzeitung verkauft oder hochschwanger zu Modefotografen stolziert. Mit der Generation Kabel verlieren wir auch die Typen, denen man ein Leben lang treu war. Sie gehörten zur Familie. Warum es das nicht mehr gibt? Es mag in einer Fernsehlandschaft begründet sein, die Lieblinge so lange wöchentlich verpilchert, bis die Masse sich übersättigt abwendet. Aber es hat auch zu tun mit einer nach und nach aussterbenden Generation populärer Künstler, die nie mehr sein wollten als sie waren: Stimmen des Volkes.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung