Lausitzer Rundschau: Zur Rückkehr von Murat Kurnaz: So viele offene Fragen
Archivmeldung vom 28.08.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Fall des aus Bremen stammenden Murat Kurnaz wirft eine Vielzahl rechtlicher wie moralischer Fragen auf. Vor allem aber muss jetzt nach der Rückkehr des jungen Mannes aus dem Lager Guantanamo endlich eine politische Fragestellung geklärt werden. Denn Kurnaz steht für das ungeklärte Verhältnis Deutschlands zu dem, was die Bush-Regierung als Kampf gegen den Terror versteht.
Das Parlament
und die Öffentlichkeit müssen wissen, wie weit die vorherige und die
jetzige Bundesregierung bereit sind, sich dem amerikanischen Vorgehen
frag- und widerspruchslos unterzuordnen.
Wenn Menschen, denen nichts vorgeworfen werden kann, entführt werden
oder jahrelang weggesperrt bleiben, so offenbart sich darin eine
Politik, die nicht etwa auf das Recht, sondern auf Angst und
Einschüchterung setzt. Washington mag glauben, dafür ein Mandat durch
die amerikanischen Wähler und den Kongress zu haben. In Deutschland
allerdings würde solch ein Vorgehen nicht nur an rechtlichen Hürden
scheitern. Es gibt auch in der Koalition genügend Kräfte, die sich
sehr sicher darin sind, dass eine solche Art der globalen
Kriegsführung genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie bezwecken
will. Im Kampf gegen gewaltbereite Fanatiker kann, so jedenfalls der
bedenkenswerte Einwand, eine Politik brutaler Kraftmeierei
tatsächlich die eigene Position nur schwächen, weil sie zwangsläufig
ein gefährliches Zerrbild unserer Gesellschaft produziert.
Beispielhaft dafür steht Guantanamo.
Deswegen auch ist der Vorwurf, das rot-grüne Kabinett habe im Fall
Kurnaz wie überhaupt im Bezug auf die Spezialgefängnisse der
Amerikaner nichts unternommen, eine überaus ernste Sache. Ihm folgt
ja der Verdacht, dass jenseits der Friedenssprüche von damals dem
großen Verbündeten völlig freie Hand bei der Wahl seiner Mittel
gelassen wurde.
Und der Einwand, man habe sowieso keinen Einfluss auf das Gebaren in
Washington, greift zu kurz. Deutsche Soldaten stehen immer noch in
Afghanistan und verteidigen dort nicht zuletzt eine Ordnung, die auf
rechtsstaatlichen Grundsätzen basiert.
Es tut gut zu hören, dass die Opposition in Berlin auch in diesem
Falle geschlossen Auskunft verlangt. Wie überhaupt diese kleine
Koalition der Aufklärung ganz unerwartet zu einer Zierde des
deutschen Parlamentarismus wird. Sie verdient Unterstützung.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau