Berliner Morgenpost: Wer Sport treibt, trägt immer ein Risiko
Archivmeldung vom 05.01.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSport ist nicht immer nur gesund, beinahe jeder körperlichen Ertüchtigung ist ein Verletzungsrisiko immanent. Dabei geht es keineswegs nur um Zerrungen und Knochenbrüche.
Dem Marathonläufer kann der Kreislauf versagen, der Fußballspieler beim Kopfballduell ersticken, der Radler vom Auto überfahren werden. Der schwere Unfall des Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus hat nun daran erinnert, dass auch Ski fahren gefährlich ist - manchmal sogar lebensgefährlich. Der Politiker hat einen Zusammenstoß auf der Piste nur deshalb überlebt, weil er einen Helm trug. Die Schlussfolgerung aus dem Unglück liegt nahe. Wer Sport treibt, trägt die Verantwortung, das Risiko zu minimieren, für sich und andere: mit richtiger Ausrüstung, körperlicher Vorbereitung und nicht zuletzt Rücksichtnahme auf seine Mitaktiven. Es verwundert allerdings wenig, dass in unserer zunehmend staatsgläubigen Republik ein ganz anderer Ruf laut wird: der nach dem Gesetzgeber, der dem Bürger diese Verantwortung per Einführung einer allgemeinen Helmpflicht für Skifahrer abnehmen soll. Vater Staat soll es mal wieder richten. Der Deutsche Skiverband hält die Forderung mit Recht für einen hysterischen Reflex, geschuldet der Prominenz des thüringischen Ministerpräsidenten. Althaus hatte einen tragischen Unfall, er ist nicht Opfer oder Täter neuer Anarchie auf den Pisten geworden, die den Alarmismus rechtfertigen könnte. Die Zahl der Skiunfälle geht im Gegenteil beständig zurück, seit dem Winter 1979/80 ist sie um 56,6 Prozent gesunken. Voriges Jahr verletzten sich rund 45.000 deutsche Skifahrer, Kollisionen wie im Fall von Dieter Althaus machten weniger als ein Prozent dieser Unfälle aus. Und die Hänge sind auch keine rechtsfreie Zone. Wer nachweisbar gegen die auf den Pisten geltenden Sorgfaltspflichten verstößt, kann zivil- oder strafrechtlich belangt werden. Gegen Althaus wird deshalb auch routinemäßig wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Ganz unzweifelhaft ist das Tragen eines Helms sinnvoll, beim Skifahren wie beim Fahrradfahren. Wer sich schützen will, trägt den Kopfputz in verkehrsreichen Zonen, kann aber auf ruhigen Strecken getrost darauf verzichten. Es ist nicht Aufgabe des Staates, seinen Bürgern diese Verantwortung zur Einschätzung des Risikos abzunehmen. Zumal neue Gebote immer auch kontrolliert werden müssen. Die nächsten Forderungen nach Einführung einer Helmpflicht lassen sich schnell ahnen: Pistenpolizei, Tempolimit, Videoüberwachung. Doch wer per Rad auf Berlins Straßen unterwegs ist, weiß, dass die unter dem Spardiktat stehenden Ordnungshüter schon mit der Überwachung der geltenden Verkehrsregeln für Zweiradfahrer überfordert sind. Und wo wäre die Grenze für die Obhutspflicht des Staates? Sollten Extremsportarten nicht besser gleich ganz verboten werden? Boxen? Und was ist mit dem Fußball? Denn die meisten Sportunglücke passieren keineswegs beim Skilaufen: Mehr als die Hälfte alle Versicherungsfälle wird bei der Deutschen liebster Sportart registriert.
Quelle: Berliner Morgenpost