Börsen-Zeitung: Zu schwach für VW, Kommentar zum überraschenden Führungswechsel bei VW von Gottfried Mehner
Archivmeldung vom 08.11.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlWer bremst, wird ausgebremst: Vor einiger Zeit hatte Bernd Pischetsrieder dem Topmanagement noch einmal gründlich die Leviten gelesen und es ermahnt, die Umsetzungsgeschwindigkeit gefälligst zu erhöhen und auch die vom Betriebsrat immer wieder kritisierten Prozessfehler auszumerzen.
Es hat alles nichts genützt.
Der Konzern verharrte in seiner Lethargie. Immer nur Vertröstungen
auf die Zukunft. Und Pischetsrieder - nett, aber entscheidungsschwach
- wurde zum Hauptproblem.
Er hat in seinen ersten fünf Jahren schlichtweg zu wenig bewegt. Es kann nicht angehen, dass General Motors und Ford in weniger als zwei Jahren gedreht werden und in Wolfsburg in der ersten Amtsperiode nur analysiert und dann in der zweiten erst umgesetzt wird. Man mag zum früheren Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert stehen, wie man will: Dass er schon 2005 mehr Dampf angemahnt hatte, war für alle das Alarmzeichen.
Pischetsrieder, das ist bekannt, sollte bereits in der
Aufsichtsratssitzung am 19./20. April abgelöst werden. Die Sache war
eigentlich gegessen. Die Arbeitnehmer hatten zugestimmt. Aber dann
kam es zu der denkwürdigen Allianz von VW-Neueinsteiger Wendelin
Wiedeking und dem Altaktionär Land Niedersachsen. Piëch und Wiedeking
standen wirklich auf verschiedenen Seiten. Aus welchen Gründen auch
immer: Wiedeking wollte den erklärten Piëch-Mann Martin Winterkorn
verhindern. Irgendwie ging es um Altlasten. Da muss wohl der Name
Phaeton fallen. Vielleicht spielten auch Fragen der künftigen
Sportwagen-Hoheit eine Rolle. Jedenfalls ging die Personalie
Pischetsrieder in die Warteschlange. Und Piëch lächelte noch
grimmiger.
Erhebliche Sympathien verscherzte sich Pischetsrieder unter dem
Stichwort Abu Dhabi. Private Equity oder arabisches Kapital heißen
heute ja die Standardalternativen, wenn irgendetwas verwertet werden
soll. In diesem Fall waren es die zurückgekauften Aktien. Aber was
Pischetsrieder da urplötzlich aus dem Hut zauberte, war völlig
unabgestimmt und verprellte den Aufsichtsrat nachhaltig.
Man muss fragen, wer einen Konzern vom Zuschnitt Volkswagens überhaupt noch führen kann. Winterkorn ist das zwar zuzutrauen. Aber die Gefechtslage zwischen dem Land Niedersachsen, Porsche und Piëch wird nach dieser Nummer noch unübersichtlicher.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung