WAZ: Artenschutzkonferenz
Archivmeldung vom 30.05.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas ganz große Rad wird auf der Bonner Artenschutzkonferenz wohl nicht gedreht werden. Dazu ist das Prozedere (viel zu) langfristig angelegt. Immerhin verhandelt die Staatengemeinschaft schon seit 1992 über Verträge, die den rasanten Niedergang der Artenvielfalt auf unserer Erde zumindest verlangsamen sollen.
Dass sich die Teilnehmer aber selbst im Jahr 2008 noch derart schwer tun, wo sich die Katastrophe wissenschaftlich präzise vorhersagen lässt, das ist schon frustrierend. Bei den wichtigsten Punkten stocken die Gespräche: den Themen Schutzgebiete in Urwäldern, der nachhaltigen Produktion von Biotreibstoffen sowie der Finanzierung des Artenschutzprogramms an sich.
Alle politisch wirklich heiklen Themen sind am letzten Tag der
Konferenz zur Biodiversität noch nicht unter Dach und Fach. Da kann
man nur hoffen, dass die am Mittwoch angereisten Minister Druck
machen und ihren Arbeitsgruppen Flügel verleihen. Sofern sie das
überhaupt wollen. Denn: Ein Land wie Brasilien wird nur schwer davon
zu überzeugen sein, den Raubbau am Regenwald für die Produktion von
begehrtem Biosprit zu stoppen. Hier geht es um die wirtschaftliche
Entwicklung eines Schwellenlandes. Und da hat selbst Deutschland ein
Problem mit seiner Vorbildfunktion. Ein Land, das nach
jahrhundetelanger Ausbeutung und "Kultivierung" seiner Natur nur noch
ein winziges Stück Urwald (im Bayerischen Wald) besitzt.
Der einzige Durchbruch wurde auf dem Gebiet der Biopiraterie erzielt. Ärmere Staaten könnten mehr Mitspracherecht beim Zugang zu ihren natürlichen Ressourcen bekommen und an den Profiten beteiligt werden. Das ist ein wichtiger Erfolg für die Schwellen- und Entwicklungsländer - nicht aber für den Artenschutz. Denn hier geht es um eine rein finanzielle Debatte. Mini-Fortschritte zeichnen sich auch bei der Ausweisung von Meeres-Schutzgebieten in internationalen Gewässern ab. Mehr aber auch nicht. Das ehrgeizige Ziel, das Artensterben bereits bis zu den nächsten Verhandlungen 2010 in Japan zu stoppen, kann wohl in den Wind geschrieben werden. Und so fallen weiterhin jährlich 13 Millionen Hektar Wald der Kettensäge zum Opfer, sterben täglich bis zu 150 Arten aus. Unersetzlich, auch nicht mit Geld. Der Bericht des Wirtschaftsexperten Pavan Sukhdev macht deutlich, was uns die Erde wert sein sollte. Allein die Überfischung der Meere könnte bis zu 100 Milliarden Dollar kosten. Wieder ein rein finanzieller Aspekt, aber ein lebenswichtiger. Denn dass wir die Welt rein aus Liebe retten, scheint utopisch. Jeder Mensch weiß, was sie regiert.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (Martin Tochtrop)