Berliner Morgenpost: Ein klares Profil zahlt sich aus
Archivmeldung vom 20.01.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs gehört zum Tag nach einer Wahl wohl immer noch dazu: das Schönreden der Wahlergebnisse, der überaus optimistische Blick in die Zukunft, die Prognose, dass bei der nächsten Wahl - egal wo und egal wann - alles mindestens genauso gut (Wahlgewinner) oder sehr viel besser (Wahlverlierer) werde.
Gestern sah sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gut gerüstet für die Bundestagswahl und wähnte das bürgerliche Lager aus Union und FDP schon auf der Siegerstraße. SPD-Chef Franz Müntefering wiederum erklärte das Debakel seiner Partei bei der Hessen-Wahl zum "Sonderfall" und rief die rot-grüne Koalition für die Zeit nach der Bundestagswahl aus. Was fehlte, war wieder einmal die ehrliche Analyse. Denn Sieger in Hessen ist die FDP, die auf sagenhafte 16,2 Prozent kam, aber auch die Grünen, die mit 13,7 Prozent ihr bestes Ergebnis in einem Flächenland erzielten. Freuen konnten sich sogar die Linken, die die Fünf-Prozent-Hürde mit 5,4 Prozent doch deutlicher übersprang als es nach den parteiinternen Querelen zu erwarten war. Die kleinen Parteien - vor allem FDP und Grüne - eint, dass sie mit einem erkennbaren Profil angetreten sind. Dass sie sich unterscheiden von CDU und SPD, dass sie ihre politischen Ziele verfolgen und auch ihr Wort halten. Erinnern wir uns: Die Freidemokraten haben vor der letzten Bundestagswahl und auch vor der hessischen Landtagswahl im Januar 2008 erklärt, dass sie mit der CDU koalieren wollen. Und sie haben ihr Wort nicht gebrochen, haben sich nicht auf eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen eingelassen, wo sie ihre politischen Vorstellungen kaum noch hätten umsetzen können. Sie sind bei ihrem klaren Kurs in der Steuerpolitik oder auch in der Bildungspolitik geblieben. Das hat sich jetzt ausgezahlt, zumal sich viele Wähler nach den Querelen in Hessen entsetzt von den großen Parteien abwandten. Nach den Analysen der Wahlforscher sind unter den neuen FDP- und Grünen-Wählern in Hessen jeweils rund 69 Prozent, die aus Enttäuschung über die anderen Parteien ihre Stimme neu vergeben haben. Aus dem Auftritt der kleinen Parteien können die großen nur lernen - für die Landtagswahlen, erst recht für die Bundestagswahl. Denn es wird nicht honoriert, wenn die Unterschiede zwischen Union und SPD verschwimmen, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihren politischen Positionen kaum noch erkennbar ist. Dies gilt ganz aktuell für die von der großen Koalition beschlossenen Konjunkturprogramme, wo nun von Bildungsinvestitionen, Abwrackprämie, Senkung des Krankenkassenbeitrags bis hin zum 100-Euro-Kinderbonus für jeden etwas dabei ist. Sogar ein Rettungsfonds für angeschlagene Firmen wurde vereinbart, bei dem sich jeder überzeugte Marktwirtschaftler mit Grausen abwenden muss. Auch das ein Grund, warum die FDP bundesweit so großen Zulauf hat. Die Hessen-Wahl war die erste im Superwahljahr 2009. Noch ist Zeit für die großen Parteien, die Wähler mit einem klaren Profil von sich zu überzeugen.
Quelle: Berliner Morgenpost