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Neue Westfälische, Bielefeld: CDU in der Modernisierungsfalle

Archivmeldung vom 16.01.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.01.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Wo ist in Deutschland eigentlich die gesellschaftliche Mitte? Und wer bildet sie? Eine Partei, die diese Fragen richtig beantworten kann, muss sich um ihre Mehrheiten bei Wahlen keine Sorgen mehr machen. Das Problem ist nur: Die Fragen sind nicht zu beantworten, denn diese Mitte gibt es in Deutschland nicht.

Besser: Diese Mitte verändert sich in einer wirtschaftlich und gesellschaftlich rasanten Welt so schnell, dass Parteien überfordert sind, ihr nachzujagen. Bildeten vorgestern noch die Industriearbeiter, die Fachingenieure und die Beamtenschaft die gesellschaftliche Mitte, waren es gestern die Computerexperten und Unternehmensgründer. Heute mögen es die Dienstleister sein. Und morgen? Die SPD hat schmerzlich erfahren müssen, dass sie mit ihrem Kampf um die Mitte nur zwischenzeitlichen Erfolg hatte. Heute hat die Sozialdemokratie ihre Wählerschaft halbiert, weil sie unter Kanzler Gerhard Schröder zwar eine ökonomisch richtige, aber eine gegen die eigene Kernklientel gerichtete Politik betrieben hat. Eine Partei, die ihr Fundament vernachlässigt, muss sich nicht wundern, wenn sie keine Volkspartei mehr ist. Die CDU ist dabei, den Fehler der Genossen zu wiederholen. Sie öffnet sich mit der Verabschiedung der Berliner Erklärung so weit nach links, wo Angela Merkel und ihre Getreuen die Mitte vermuten, dass sie ihr eigenes Fundament beschädigt. Das kann nicht gut gehen. Wer eine Brücke in die Zukunft schlagen will, benötigt einen Brückenkopf, ein Fundament. Das ist in der Union konservativ. Sicher, längst nicht mehr so konservativ wie noch vor 15 Jahren. Sollte die CDU tatsächlich intensiv auf das städtische aufgeklärte Bürgertum schielen, wird sie am anderen Rand umso mehr verlieren. Die Berliner Erklärung sagt alles und nichts. Ihr zufolge will die CDU zuerst neue Wähler gewinnen. Und zwar von allen Seiten, von links bis rechts. Sie will Steuern senken und gleichzeitig den Staatshaushalt sanieren. Sie macht ein Angebot für jeden. Und erst ganz zum Schluss, bekommen auch die eigenen Leute ihre Streicheleinheit. Das führt in die Beliebigkeit. Die CDU ist zu recht mit ihrem Bundestags-Wahlergebnis nicht zufrieden. Wie die SPD schon lange werden sich auch die Konservativen von dem Wahlziel 40 plus x verabschieden müssen. Die Gesellschaft hat sich so differenziert, dass eine Partei allein die unterschiedlichen Interessen gar nicht mehr aufnehmen und durchsetzen kann. Der Interessenausgleich wird künftig erst nach den Wahlen zwischen unterschiedlichen kleineren Koalitionspartnern stattfinden. Der Abschied von der letzten Volkspartei in Deutschland ist nur noch eine Frage der Zeit. Wie die SPD zuvor, sitzt nun die CDU in der Modernisierungsfalle. Diese Falle schnappt nicht in der Opposition, sondern erst in Regierungsverantwortung zu. Weil es dann gilt und es nicht mehr um Parteitagsbeschlüsse geht, sondern um konkretes Handeln. Deshalb wird künftig jene Partei den Ton angeben, der es am besten gelingt die eigenen Leute zu sammeln.

Quelle: Neue Westfälische

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