Börsen-Zeitung: Riskanter Goldrausch
Archivmeldung vom 14.11.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSo manches erinnert dieser Tage an den legendären Goldrausch am Klondike River in Kanada. Ende des 19. Jahrhunderts stürmten die Massen, die in einer Wirtschaftskrise ihre Existenzgrundlage verloren hatten, jene unwirtliche Gegend, getrieben von der Hoffnung, reich zu werden.
Viele bezahlten ihren Wagemut mit dem Leben. Ähnlich fürchterliche Ereignisse drohen dieser Tage zwar nicht. Dennoch ist derzeit so etwas wie ein Goldrausch zu beobachten, der durchaus gewisse Risiken für die Anleger birgt.
Ein neuerlicher Schub hat den Preis für die Feinunze Gold nicht nur wieder über die Schwelle von 1000, sondern gleich auch noch über die Marke von 1100 Dollar getrieben. Beinahe im Tagesrhythmus werden Rekordpreise erreicht. Treibende Kraft sind derzeit Käufe von Notenbanken und die Spekulation darauf, dass sich diese noch erheblich ausweiten könnten. Um die Jahrtausendwende gehörten Zentralbankverkäufe noch zu den Hauptgründen, die den Goldpreis auf Tiefen von 250 drückten. Dieser Tage denken Währungshüter aus den Schwellenländern, die über erhebliche, überwiegend auf Dollar lautende Devisenreserven verfügen, dagegen über eine Diversifizierung in das gelbe Metall nach, um sich gegen eine Abschwächung der US-Währung abzusichern. Für Aufsehen sorgte jüngst die Nachricht, dass Indien 200 Tonnen vom Internationalen Währungsfonds gekauft hat. Da zudem die Notenbanken der Industrieländer kaum noch Gold anbieten, sind die Zentralbanken insgesamt im Begriff, vom Nettoverkäufer zum Nettokäufer zu mutieren.
Bis auf 1123 Dollar hat die Erwartung, dass Notenbankkäufe das Angebot verknappen könnten, die Feinunze getrieben. Damit hat sie in diesem Jahr bereits bis zu 28% gewonnen. Ein Teil der Analysten hält nun erhebliche weitere Kurssteigerungen für möglich und die Schwelle von 1500 Dollar im kommenden Jahr für erreichbar. Hintergrund ist die Erwartung, dass die Anlegermassen nun einen neuerlichen Run auf Gold starten könnten. Die Liquiditätsschwemme und die Goldfonds hatten den Preis mit umfangreichen Käufen bereits in die Höhe getrieben, bevor die Notenbank-Fantasie aufkam. Neben diffusen Ängsten vor Währungsreformen und neuerlichen Finanzkrisen ist es insbesondere die Angst vor stark steigenden Inflationsraten, die die Anleger in das vermeintlich sichere Edelmetall treibt.
Dass Gold ein adäquates Mittel ist, um sich gegen Geldentwertung, Währungsreformen und ökonomische Auflösungserscheinungen à la Argentinien zu schützen, ist unbestritten. Allerdings sollten Anlageberater in der derzeitigen Lage davon absehen, das gelbe Metall als sicheres Investment anzupreisen. Das verbieten allein schon die im Vergleich zu früher wesentlich heftigeren Preisschwankungen des Metalls. Die Kehrseite möglicher weiterer Gewinne aufgrund der Liquiditätsschwemme sind Rückschlagsrisiken. Denn die Voraussetzungen der Gold-Hausse könnten sich unter Umständen schnell wieder auflösen.
Das größte Risiko ist das Ende der ultralockeren Geldpolitik und damit verbunden ein Anstieg des Dollar sowie auch der Zinsen. Gold würde damit nicht nur die Hauptantriebskraft seiner gegenwärtigen Rally verlieren, sondern erhielte auch im Zinsbereich Konkurrenz als Anlageform. In einem solchen Szenario könnte die Feinunze in Bereiche deutlich unterhalb von 1000 Dollar fallen. Auch sind einige der Grundannahmen, mit denen der Optimismus für Gold begründet wird, zu hinterfragen. Es scheint alles andere als sicher zu sein, dass die Zentralbanken auf deutlich erhöhten Preisniveaus ihre Goldkäufe kräftig hochfahren. Auch die Spekulation auf eine dramatische Verknappung hat ihren Haken. Mit jeder 100-Dollar-Schwelle, die die Feinunze überschreitet, werden zuvor unbrauchbare Vorkommen für die Förderung immer lukrativer. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Angebot aus der Förderung wieder anziehen wird.
Dass die Güterinflation in absehbarer Zeit stark steigen wird, ist außerdem bislang nur eine Vermutung. Wird sie bei schwachem Wachstum wirklich kräftig anziehen können? Zu sehen ist derzeit keine Güterinflation, sondern ausschließlich eine Asset-Inflation, und diese hat unter anderem auch den Goldpreis erfasst.
Quelle: Börsen-Zeitung