Westfalen-Blatt zum Tod von Theo Albrecht
Archivmeldung vom 29.07.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDamals, es ist schon einige Jahrzehnte her, als der junge Journalist über Hunderte von Kilometern nach Ostwestfalen zog, da schien die Mutter beim ersten Besuch lange untröstlich. Das änderte sich erst, als sie eine Aldi-Filiale sah. Mit einem Seufzer der Erleichterung sagte sie: »Junge, jetzt weiß ich, du wirst hier nicht verhungern.«
Der jetzt in aller Stille in Essen verstorbene Theo Albrecht hat der Generation von Deutschen und Gastarbeitern, die das Wirtschaftswunder wahr gemacht haben, ein großes Geschenk bereitet. Die Discountkette, die er gemeinsam mit seinem Bruder Karl aufgebaut und bis in die neunziger Jahre hinein geführt hat, basierte auf einer grundlegend neuen Geschäftsidee. Aldi-Filialen führen nur ein sehr begrenztes Sortiment. Die abgepackte Ware liegt für den Kunden griffbereit im Regal, immer an der gleichen Stelle. Beratung beschränkt sich auf den Ausnahmefall. Keine Schaufensterdekoration, keine Probierstände oder ähnliches. Überall wird gespart, nur nicht an der Qualität. Die Hersteller tragen mit knapp kalkulierten Preisen, für die sie aber mit großen Stückzahlen entschädigt werden, das Ihre zum Aldi-Erfolg bei. Schnäppchenjäger fahnden gern nach den Namen von Markenartiklern, die sich hinter manchen Aldi-Produkten verbergen - oft mit Erfolg. Die Reaktion der Branche auf Aldi war und ist zwiespältig. Zum einen werden die Albrecht-Brüder für den Niedergang der Tante-Emma-Läden und der Fachgeschäfte verantwortlich gemacht. Andererseits rief Aldi viele Nachahmer auf den Plan, von denen allerdings nur Lidl eine ähnliche Erfolgsgeschichte schreiben konnte. Wenn heute die Einkaufslandschaft in Deutschland als einzigartig beschrieben wird, dann liegt das auch an Aldi. An seinen Preisen richtet sich der gesamte Lebensmittelhandel aus. An diesen Ansprüchen scheiterte sogar der weltgrößte Einzelhandelskonzern Wal Mart, als er, von den USA kommend, vor Jahren in Deutschland Fuß fassen wollte. Obwohl Aldi so billig ist, ist seine Rendite eine der höchsten im deutschen Einzelhandel. Die Albrecht-Brüder gehören zur Spitzengruppe der reichsten Deutschen. Ihre Milliardenvermögen werden von der treuen Kundschaft akzeptiert - zumal trotz der abgeschiedenen Lebensweise von Theo Albrecht seine Sparsamkeit nicht verborgen blieb. Fast legendär war die spartanische Einrichtung seines Chefbüros. Die smarten Porsche-Fahrer, die es als Zeichen von Cleverness nehmen, ihren Champagner bei Aldi einzukaufen, passen denn auch nicht ganz zum Stil des Hauses. Theo Albrecht gehört international in die Reihe der großen Unternehmerpersönlichkeiten. Er steht in einer Reihe mit Thomas Edison, Henry Ford, Werner von Siemens, Gottlieb Daimler, Reinhard Mohn, Kiichiro Toyoda und Bill Gates - Persönlichkeiten, die nicht nur ein Unternehmen gründeten, sondern mit ihren Ideen die Welt auch ein Stück weit verändert haben.
Quelle: Westfalen-Blatt