Wiesbadener Kurier: Kommentar zu Georgien
Archivmeldung vom 16.09.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittZwei wichtige Entscheidungen für Georgien an einem Tag, und doch mit völlig entgegengesetzter Wirkung. Die Nato setzt auf Konfrontation und Wiederbewaffnung, die EU auf Diplomatie und Wiederaufbau des zerstörten Landes.
Wenn schon die am Krieg gewiss nicht unschuldige Regierung Saakaschvili nicht begreift, welcher Kurs für Georgien hilfreicher ist, dann hoffentlich die Bevölkerung der Kaukasusrepublik. Mit der Gründung einer gemeinsamen Militärkommission und noch mehr mit der erneuten Ankündigung der Aufnahme Georgiens in den Nato-Aktionsplan, der letzten Vorstufe zum Beitritt, hat Generalsekretär de Hoop Scheffer nicht nur Länder wie Deutschland, Frankreich und Spanien brüskiert, die diesen Schritt weiterhin ablehnen. Er hat als Sachwalter einer scheidenden und gescheiterten US-Administration völlig ziellos die Russen gereizt, die begreiflicherweise ein Militärbündnis in direkter Nachbarschaft als Bedrohung empfinden. Wo soll das denn hinführen? Wer will für einen neu bewaffneten Abenteurer wie Saakaschvili im Ernst den Bündnisfall riskieren? Völlig anders sieht es mit den Blitzbeschlüssen der EU für die zivile Beobachtertruppe und ein Millionen-Aufbauprogramm aus, obwohl ja zum Teil die gleichen Natoländer beteiligt sind. Hier wird tatsächliche Hilfe für die geplagten Georgier organisiert und die EU etabliert sich - mit Zustimmung Moskaus - als stabilisierender Faktor in der unruhigen Region. Zwar ist mit den Russen noch vieles wegen ihrer brutalen Militäraktion zu regeln. Durch die Nato-Beschlüsse wird das jedoch gewiss nicht leichter.
Quelle: Wiesbadener Kurier